Wie nachfolgende Prüfung ergibt, ist ein Dieselfahrverbot durch die Stadt Würzburg bereits aufgrund ihrer eigenen Kompetenz als örtliche Straßenverkehrsbehörde möglich. Ein Abwarten auf die Fortschreibung des Luftreinhalteplans kann so unter Umständen vermieden werden.

  1. Rechtsgrundlage für ein kommunales Dieselfahrverbot durch die örtliche Straßenverkehrsbehörde

Rechtsgrundlage ist § 45 Abs. 1 S. 1 BlmSchG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Nr. 5, Abs. 1b S. 1 Nr. 5, Abs. 9 StVO.Die Befugnisnorm ermächtigt kreisfreie Städte als lmmissionsschutzbehörde zur
Veranlassung von Maßnahmen der örtlichen Straßenverkehrsbehörde (Art. 3 ZuStGVerk), genauer zu Verkehrsverboten aus Gründen des Schutzes der (Wohn-)Bevölkerung vor Lärm und Abgasen und hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen.

§ 45 Abs. 1 BlmSchG legt der lmmissionsschutzbehörde insbesondere die Pflicht auf, Pläne nach § 47 BlmSchG aufzustellen, doch kann im Einzelfall für den Bürger ein Anspruch auf planunabhängige Maßnahmen bestehen.1

Dabei stellt § 45 Abs. 1 BlmSchG stellt isoliert keine geeignete Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen dar, die in Rechte Dritter eingreifen, weil die Norm zu unbestimmt ist.2 Daher bildet § 45 Abs. 1 BlmSchG immer nur in Verbindung mit der jeweils in Betracht kommenden Eingriffsermächtigung einen Anspruch auf planunabhängige Maßnahmen. Werden verkehrsbeschränkende Maßnahmen begehrt, ist die Anspruchsgrundlage § 45 Abs. 1 S. 1 BlmSchG i.V.m. §
45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Nr. 5 StVO.

Sind verkehrsbeschränkende Maßnahmen in einem Luftqualitätsplan vorgesehen, ist die spezielle Eingriffsermächtigung zunächst § 40 Abs. 1 BlmSchG, die Behörde hat hierbei kein Entschließungsermessen und darf zur Umsetzung verkehrsbeschränkender Maßnahmen die lnstrumente des Straßenverkehrsrechts, i.d.R. also Verkehrszeichen zum Einsatz bringen.3

2. Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 BlmSchG im Verhältnis zu § 40 Abs. 1 BlmSchG

Eine parallele Anwendbarkeit von § 45 BlmSchG i.V.m. § 45 StVO ist nicht ausgeschlossen, vielmehr lässt § 40 Abs. 1 BlmSchG die Verpflichtung des § 45
BlmSchG unberührt.4

1 BVerwG Urt. v. 27.09.2007 – 7 C 36/07 –
2 Jarass, BImSchG, 7. Aufl., § 45 BImSchG, Rn. 3; Jarass, VerwArch 97, (2006), 429 (442); Klinger/Löwenberg, ZUR 2005, 169 (171).
3 Sparwasser, NVwZ 2006, 369 (373); Rehbinder, NuR 2005, 493 (496).
4 BayVGH, NVwZ 2007, 171; Rebler, SVR 2005, 211 (213); König in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO Rn. 29.

Zwar wird vereinzelt kritisiert, die Anwendbarkeit von § 45 BlmSchG i.V.m. § 45 StVO könne deswegen zu bezweifeln sein, weil § 40 Abs. 1 BlmSchG i.V.m. § 47 Abs. 6 BlmSchG entnommen werden könne, dass straßenverkehrsrechtliche Regelungen, die der Einhaltung von Abgasgrenzwerten dienen, immer in einem Plan zu regeln sind. Eine Ermächtigung über den Umweg des Straßenverkehrsrechts steht nach dieser Ansicht im Widerspruch zur Konzeption des lmmissionsschutzrechts, das insoweit lex specialis ist.5

Dies ist nunmehr durch die Rechtsprechung geklärt: § 45 Abs. 1 S. 2 BlmSchG verpflichtet als Generalnorm zur Durchsetzung der lmmissionswerte6 nach dem Urteil des BVerwG die Behörden aber auch zu Maßnahmen, wenn kein Plan vorhanden ist, bzw. kein (ausreichender) Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen.7

§ 40 Abs. 1 BlmSchG lässt die Verpflichtung des § 45 BlmSchG deswegen unberührt, weil § 40 Abs. 1 BlmSchG der Durchsetzung von Maßnahmen in Plänen nach § 47 Abs. 1,2 BlmSchG dient, während es bei § 45 BlmSchG um die Durchsetzung von nationalen lmmissionswerten in Rechtsverordnungen nach § 48a Abs. 1a BlmSchG geht; allerdings dient § 40 Abs. 1 BlmSchG mittelbar diesem Ziel.8
Während aber § 40 Abs. 1 BlmSchG zu Verkehrsbeschränkungen ermächtigt und verpflichtet, setzt § 45 BlmSchG als aufgabeneröffnende Generalnorm des lmmissionsschutzrechts voraus, dass die Behörde in einer anderen Rechtsvorschrift zur Durchführung geeigneter Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit vor lmmissionsgrenzwertüberschreitungen ermächtigt wird. 9
Die Parallelanwendung der Normen ist sinnvoll, denn fehlen geeignete Pläne i.S.d. §
47 Abs. 1, 2 BimSchG, ist eine planunabhängige Durchsetzung unionsrechtlich geboten. 10 Der Weg über den Luftreinhalteplan hat allerdings den Vorteil, dass in abgestimmter Weise die Probleme angegangen werden. Das Verfahren ist jedoch sehr schwerfällig, weshalb der direkte Weg des § 45 BlmSchG auch unionsrechtlich erforderlich ist, soweit über Luftreinhaltepläne keine Abhilfe geschaffen wird.

Ein Anspruch auf Durchführung planunabhängiger Maßnahmen wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass betroffene Personen auch einen Anspruch auf Ergänzung eines Luftreinhalteplans oder auf Erlass eines Plans für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen (sog. Aktionspläne) geltend machen können. Vielmehr obliegt die Sicherstellung der Einhaltung der aufgrund der durch die BlmSchV festgelegten lmmissionswerte allen zuständigen Behörden, diese Behörden sind insoweit nicht auf bestimmte Maßnahmen beschränkt.11

3. Rechtsfolge

Sowohl § 40 Abs. 1 BlmSchG, als auch § 45 Abs. 1 BlmSchG i.V.m. § 45 Abs. 1 S.2
Nr. 3 StVO ermöglichen nebeneinander stehende Eingriffsmöglichkeiten bezogen auf
Abgasimmissionen.12 Dies resultiert daraus, dass die Befugnisnormen

5 so noch VG München, NVwZ 05, 842, 843 (in 2. und 3. Instanz aufgehoben); Brenner, DAR 2005, 426 (430).
6 Jarass, BImSchG, § 45 Rn. 1.
7 so auch OVG Münster, Urt. v. 09.10.2012 – 8 A 652/09 –
8 Jarass, BImSchG, § 40 Rn. 2.
9 Jarass, BImSchG, § 45 Rn. 3.
10 Jarass, NVwZ 2003, 262 ff.
11 vgl. OVG NRW, Urt. v. 09.10.2012 – 8 A 652/09 –
12 Scheidler, NVwZ 2007, 144 (147) m.w.N.; Krohn, ZUR 2005, 371 (373).

unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen. Ergeht eine Anordnung nach § 45
BlmSchG i.V.m. § 45 StVO knüpft die straßenverkehrsrechtliche Norm an das besondere Schutzbedürfnis der Bevölkerung an. Die engen Tatbestandsvoraussetzungen von § 45 StVO müssen im konkreten Fall vorliegen.

§ 40 Abs. 1 BlmSchG dagegen will die Einhaltung von lmmissionswerten sicherstellen,13 die Norm enthält lediglich eine Rechtsfolgenverweisung auf die lnstrumente des Straßenverkehrsrechts. Verkehrbeschränkungen auf Grundlage von
§ 45 StVO dienen der konkreten, vorbeugenden Gefahrenabwehr wegen der Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Bevölkerung, Verkehrsbeschränkungen wegen § 40 Abs. 1 BlmSchG auch zur Vorsorge gegen das drohende Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen.14

4. Fazit

Da es sich bei § 45 StVO um klassisches Gefahrenabwehrrecht bzw. Sicherheitsrecht handelt, erfordert die Norm tatbestandlich eine konkrete Gefahrenlage für die in § 45 StVO genannten Schutzgüter,15 die jedenfalls dann eintritt, wenn die Schwelle des § 3 der 39. BlmSchV überschritten ist. Das Tatbestandsmerkmal „bestimmte Straßen oder Straßenstrecken“ verdeutlicht, dass Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 StVO nicht abstrakt-generell sein dürfen, sondern sich immer auf eine begrenzte, konkrete örtliche Verkehrssituation beziehen müssen, um besonderen situationsbezogenen Belästigungen zu begegnen, Fahrverbote können demnach nicht flächendeckend, sondern partiell (lnnenstadtbereiche) ergehen.16 Das vor allem von Dieselmotoren emittierte NO2 fällt mMn. tatbestandlich unter „Abgase“ i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 1b S. 1, Nr. 5 StVO und ist mit den genannten Ausführungen und Urteilen, die sich teilweise auf überschrittene lmmissionsgrenzwerte zu Feinstaub beziehen, vergleichbar.

Als Rechtsfolge sieht § 45 Abs. 1 StVO Ermessen vor. Der Anspruch setzt nicht die Überschreitung einer bestimmten lmmissionsgrenze voraus, sondern es kommt darauf an, ob die Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringt, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen werden muss und zumutbar ist. Die Grenzwerte der 39. BlmSchV stellen insoweit Orientierungswerte dar, auf dessen Grundlage eine Ermessensentscheidung ergeht. Jedenfalls in den Fällen, in denen der Straßenverkehr wesentlich zu den schlechten Luftwerten beiträgt, ist die Behörde zum Tätigwerden verpflichtet.17 Das Auswahlermessen ist durch den
Verursacheranteil (Dieselfahrzeuge stoßen weitaus mehr NO2 aus als Fahrzeuge mit
Ottomotor) und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Gesundheitsschutz) beschränkt. Mit Überschreiten der NO2-Grenzwerte ist eine gesetzlich fixierte Erheblichkeitsschwelle überschritten, die ein behördliches Untätigbleiben angesichts des hohen Gesundheitsrisikos nicht rechtfertigen können.18 Das Verwaltungsgericht
Stuttgart erklärte mit Urteil vom 28.07.17 das Dieselfahrverbot als mit der StVO

13 Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I: BImSchG, Stand: Aug. 2008, § 40 Rn. 10.
14 Scheidler, NVwl 2007, 144 (147).
15 Heß in: lagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 3; lahn, NVl 1994, 5 (9).
16 lahn, NVl 1994, 5 (9); NlW 1994, 1911 (1912); König in: Hentschel, Straßenverkehsrecht, § 45 StVO Rn. 27.
17 BVerwGE 128, 278 (Rn. 31) zu Feinstaub.
18 Wöckel, NuR 2007, 598 (601).

durchsetzbar. Eine gebotene Ergänzung der StVO durch den Bundesverordnungsgeber sei nicht absehbar, es besteht ein Regelungsdefizit ohne sachlichen Grund i.R.d straßenverkehrsrechtlichen Zusatzzeichen. Angesichts der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Einhaltung unionsrechtlicher Umweltstandards und zur Achtung des Schutzauftrags von Art. 2 Abs. 2 GG (Leben, Gesundheit) wird die zuständige Behörde (Stadt Stuttgart) ermächtigt, Zusatzzeichen nach der VzKat selbst zu gestalten. Bisher waren alle von der DUH eingereichten Klagen gegen 15 deutsche Städte erfolgreich.

Die Stadt Würzburg hat die Kompetenz, Dieselfahrverbote im Falle der Gefährdung von Bürgern durch NO2 im Einzelfall sofort anzuordnen, ohne dass das Änderungsverfahren des Luftreinhalteplans abgewartet werden muss.

RA Wolfgang Baumann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht