Mit Beschluss vom 04.07.2017 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) dem Antrag eines durch die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB vertretenen Coburger Bürgers stattgegeben, und den Bebauungsplan Nr. 36/7 für das Gebiet westlich der Pommernstraße zwischen Judenberg und Himmelsacker vorläufig außer Vollzug gesetzt und dabei gerügt, dass die Stadt Coburg das falsche Verfahren gewählt hat.
Mit diesem Bebauungsplan wollte die Stadt Flächen im Außenbereich mit Wohnbebauung überplanen. Hierfür hat sie das vereinfachte Verfahren gemäß § 13a des Baugesetzbuchs (BauGB) gewählt, in dem erleichterte Voraussetzungen für die Planaufstellung gelten. Unter anderem muss im vereinfachten Verfahren kein Umweltbericht angefertigt gefertigt werden. Hintergrund dieser vereinfachten Verfahrensregelung ist, dass der Gesetzgeber den Gemeinden die Möglichkeit einräumen wollte, Flächen im Innenbereich bzw. innerhalb des Bebauungszusammenhangs unter erleichterten Bedingungen zu überplanen. Weil im Innenbereich in der Regel nicht mit erheblichen Umweltbeeinträchtigungen zu rechnen ist, sieht der Gesetzgeber den Umweltbericht als entbehrlich an. Bei einer Außenbereichsbebauung werden allerdings im Gegensatz hierzu bisher unversiegelte Flächen in Anspruch genommen, so dass auch mit erheblichen Umweltbeeinträchtigungen zu rechnen ist. Die Anwendung des vereinfachten Verfahrens nach § 13a BauGB bei der Überplanung von Außenbereichsflächen verbietet sich daher. Das Plangebiet des Bebauungsplans umfasst aber Flächen im Außenbereich. Auf diesen Umstand wurde die Stadt bereits im Planaufstellungsverfahren von mehreren Anwohnern aufmerksam gemacht. Auch die Regierung von Oberfranken hat der Stadt vor Erlass des Bebauungsplans nahe gelegt, die Art des gewählten Verfahrens nochmals zu überdenken.
Trotz dieses offenkundigen Rechtsverstoßes hat die Stadt an dem Verfahren festgehalten und sogar noch vor Inkrafttreten des Bebauungsplans auf Grundlage des § 33 BauGB eine Baugenehmigung im Plangebiet erteilt.
Außerdem hat das Gericht festgestellt, dass der Bebauungsplan schon nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde. Bebauungspläne sind auszufertigen und anschließend bekanntzumachen. Mit der Ausfertigung, also der Unterzeichnung, wird eine Urkunde geschaffen und bezeugt, dass der Inhalt dieser Urkunde mit dem Beschluss des Stadtrates übereinstimmt. Erst anschließend ist der Bebauungsplan öffentlich bekannt zu machen. Frau 2. Bürgermeisterin Weber hat jedoch den Bebauungsplan erst über einen Monat nach dessen Bekanntmachung unterzeichnet und damit ausgefertigt. Dieser Fehler führt dazu, dass der Bebauungsplan überhaupt noch nicht wirksam geworden ist.
Die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung von sechs Mehrfamilienhäusern konnte von den Anwohnern durch das Eilverfahren gegen den Bebauungsplan leider nicht verhindert werden, da ein Normenkontrollantrag bzw. ein entsprechendes Eilverfahren erst erhoben werden kann, wenn der Bebauungsplan in Kraft getreten ist. Es ist zu vermuten, dass die Stadt genau aus diesem Grund die Baugenehmigung auch schon vor Inkrafttreten des Bebauungsplans erteilt hat. Abgesehen davon ist aber auch gegen diese Baugenehmigung ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth anhängig.
Bezeichnend ist, dass der BayVGH eine einstweilige Anordnung zur Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans nur dann erlässt, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die einstweilige Anordnung darf nur dann ergehen, wenn die dafür sprechenden Gründe so schwerwiegend sind, dass sie unabweisbar sind. Unter Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs kam der BayVGH in seinem Beschluss vom 04.07.2017 zu dem Ergebnis, dass der Bebauungsplan der Stadt Coburg „offensichtlich an schweren und zu seiner Unwirksamkeit führenden Mängeln leidet“. Deswegen sprechen nach Auffassung des BayVGH gewichtige Gründe für die Außervollzugsetzung des Bebauungsplans. Sofern es also die 2. Bürgermeisterin, Frau Birgit Weber, ausweislich der Presseberichterstattung in der Neuen Presse vom 13.07.2017 für wichtig hält zu betonen, dass es sich bei dem Beschluss vom 04.07.2017 nicht um eine endgültige Entscheidung handele, stellt Frau Rechtsanwältin Schilling, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, klar: „Es ist aufgrund der Offenkundigkeit in keinem Fall davon auszugehen, dass die Entscheidung des BayVGH im Hauptsacheverfahren anders ausfallen wird.“
Im Gegensatz zu den Baumaßnahmen, die zur Umsetzung der von der Stadt bereits erteilten Baugenehmigung durchgeführt werden und die sich auf diese Baugenehmigung als separate Rechtsgrundlage stützen können, sind die Bauarbeiten zur Errichtung der Erschließungsanlagen (z.B. Straßenbauarbeiten) bereits deshalb rechtswidrig, weil sie allein dem Vollzug des durch den BayVGH außer Vollzug gesetzten Bebauungsplans dienen. Sollte die Stadt die Straßenbauarbeiten daher nicht einstellen, würde sie sich einmal mehr offenkundig rechtswidrig verhalten.
Würzburg, 14.07.2017
gez.: RAin Anja Schilling/Fachanwältin für Verwaltungsrecht