Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat mit Beschluss vom 22. Mai 2022 (Az. 5 A 589/21) unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 5. Dezember 2018 (Az. 4 K 505/15.KS) einen Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel aus dem Jahr 2015 aufgehoben. Mit diesem Bescheid war die Stadt Frankenberg verpflichtet worden, das auf ihrem Grundstück der ehemaligen Munitionsanstalt befindliche ehemalige Granatenvernichtungsbecken und andere Flächen von einer in der Kampfmittelräumung erfahrenen Firma vollständig räumen zu lassen und anschließend wieder zu verfüllen.

Die Anordnung erfolgte auf Grundlage des § 62 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrwG), obgleich nach § 2 Abs. 2 Nr. 14 KrwG das Kreislaufwirtschaftsrecht nicht für das Aufsuchen und Behandeln von Kampfmitteln anwendbar ist. Das Regierungspräsidium Kassel vertrat bis zu Letzt im Berufungsverfahren die Auffassung, es handle sich bei Abfall, der bei der Behandlung von Kampfmitteln anfalle, nicht selbst um Kampfmittel.

Die Stadt Frankenberg widersprach dieser Auffassung von Anfang an und hielt es für widersprüchlich, einerseits das Vorkommen von Kampfmitteln zu verneinen, die Stadt aber andererseits zu verpflichten, eine in der Kampfmittelräumung erfahrene und damit um das Sechsfache – im Vergleich zur normalen Entsorgung – teurere Fachfirma zur Entsorgung der „Abfälle“ beauftragen zu müssen.

Während das Verwaltungsgericht Kassel im Dezember 2018 den Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel nur teilweise aufhob, stellte der Hessische Verwaltungsgerichtshof nunmehr klar, dass der gesamte Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel rechtswidrig und daher aufzuheben war. Damit folgte das Gericht den Ausführungen der Stadt Frankenberg, vertreten durch die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, vollumfänglich.

Unter Heranziehung sämtlicher landesrechtlicher Definitionen aller 16 Bundesländer zum Begriff der Kampfmittel, gelangte der Hessische Verwaltungsgerichtshof zu der Auffassung, dass Kampfmittel bereits dann vorliegen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass in dem Abfall Rückstände oder Zerfallsprodukte von Kampfstoffen enthalten sind. Damit kann eine Beseitigungsanordnung aufgrund des kampfmittelrelevanten Sachverhalts nicht auf § 62 KrWG gestützt werden.

Neben einer fehlerhaften Rechtsgrundlage beurteilte der Hessische Verwaltungsgerichtshof auch die Störerauswahl für unzureichend. Aufgrund der historischen Entwicklung als Handlungs- und früherer Zustandsstörer kam vorliegend sowohl die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin der Wehrmacht, als auch die Klägerin als jetzige Eigentümerin und Zustandsstörerin in Betracht. Das Gericht stellte klar, dass sich die BRD und die Stadt Frankenberg im Rahmen der Störerauswahl „unter dem Gesichtspunkt der Effektivität, der Zumutbarkeit und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht wesentlich voneinander unterscheiden dürften.“ Insoweit hätte es einer umfassenden Ermessensentscheidung bedurft, die vom Regierungspräsidium jedoch nicht vorgenommen wurde.

„Ich freue mich für die Stadt Frankenberg sehr über diesen juristischen Erfolg. Die Entscheidung hat in ihrer Deutlichkeit erhebliche Bedeutung für die Verantwortlichkeit bei der Entsorgung von Kampfmittel-Altlasten, die nicht nur in Hessen an zahlreichen Standorten die Städte und Gemeinden vor große finanzielle Herausforderungen stellen. Der Praxis der Behörden, diese Kosten einfach auf die Städte und Standortgemeinden zu übertragen, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof damit eine klare Absage erteilt.“

So Rechtsanwalt Dr. Eric Weiser-Saulin, der die Stadt Frankenberg im Berufungsverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof vertrat.

Würzburg, 27.05.2022

gez. Rechtsanwalt Dr. Eric Weiser-Saulin

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