Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat in einem von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB vertretenen Verfahren seine Rechtsprechung zum Anspruch auf Schallschutzmaßnahmen zum Schutz gegen Fluglärm am Hauptstadtflughafen BER weiterentwickelt. Die im Urteil vom 13.12.2021 (OVG 6 A 8/20) enthaltenen Ausführungen bringen wichtige Klarstellungen vor allem für den Anspruch auf Schallschutz für gewerblich genutzte Räume.

In der Angelegenheit ging es um Schallschutzansprüche für einen teils unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplex, der als Hotel sowie Veranstaltungs- und Tagungsstätte gewerblich genutzt wird, aber auch Gebäude mit Räumen aufweist, die zu Wohnzwecken genutzt werden.

Das OVG Berlin-Brandenburg hatte sich hierbei insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die von der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) zur Konkretisierung der Schallschutzansprüche erstellte Anspruchsermittlung (ASE) eine denkmalschutzrechtlich genehmigungsfähige Planung von Schallschutzmaßnahmen beinhalten muss. Der 6. Senat hat diese Frage bejaht und die Flughafengesellschaft zur Vorlage einer solchen Planung im konkreten Fall verurteilt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2021, OVG 6 A 8/20, S. 13 der Urteilsausfertigung).

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die FBB sei nach den Lärmschutzauflagen in Teil A II 5.1.2 PFB für den Tagschutz und in Teil A II 5.1.3. PFB für den Nachtschutz verpflichtet, für „geeignete Schallschutzvorrichtungen“ Sorge zu tragen. Geeignet im Sinne der Lärmschutzauflagen seien solche Schallschutzvorrichtungen, die gewährleisten, dass die Lärmschutzziele des Planfeststellungsbeschlusses erreicht werden. Dass bei der Planung und Umsetzung der Schallschutzmaßnahmen bauordnungs- und bauplanungsrechtlich verbindliche Vorgaben zu beachten sind, versteht sich nach Ansicht des Gerichts von selbst, weshalb dasselbe für denkmalrechtliche Vorgaben gelte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2021, OVG 6 A 8/20, S. 13 der Urteilsausfertigung).

Das Gericht ist im Urteil der Ansicht des Klägers gefolgt, dass eine Umsetzung der denkmalrechtlichen Vorgaben in der Praxis nur dann sichergestellt werden kann, wenn die Berücksichtigung denkmalrechtlicher Belange bereits auf der Ebene der Planung der konkreten Schallschutzmaßnahmen und nicht erst auf der Vollzugsebene bei Umsetzung der einzelnen Schallschutzgewerke erfolgt. Die von der FBB erstellte Anspruchsermittlung müsse – so das Gericht – betroffene Grundstückseigentümer in den Stand setzen, die Schallschutzmaßnahmen umzusetzen. Eine etwaig erforderliche denkmalrechtliche Erlaubnis müssten zwar die Grundstückseigentümer als diejenigen, welche die Maßnahmen am Denkmal durchführen (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Denkmalschutzgesetz des Landes Brandenburg), einholen. Damit die Grundstückseigentümer aber in den Stand gesetzt sind, diese Erlaubnis einzuholen, muss ihnen die FBB (Planungs-) Unterlagen zur Verfügung stellen, die eine Überprüfung der Schallschutzmaßnahmen durch die zuständige Denkmalschutzbehörde anhand der denkmalrechtlichen Vorgaben ermöglichen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2021, OVG 6 A 8/20, S. 14 f. der Urteilsausfertigung).

Die FBB muss deshalb in der ASE die Anforderungen des Denkmalschutzes zum einen ermitteln und zum anderen darstellen, auf welche Weise die in Frage kommenden Schallschutzmaßnahmen diesen Anforderungen Rechnung tragen. Sollte sich die Planung der FBB im denkmalrechtlichen Genehmigungsverfahren als unzureichend erweisen, ist sie gehalten, diese nachzubessern (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2021, OVG 6 A 8/20, S. 15 der Urteilsausfertigung).

Der Sache nach hat der Senat hier seine Rechtsprechung zur Lüftungsplanung in den insoweit sachlich vergleichbaren Bereich des Denkmalschutzes übertragen. Denn ebenso wie bei der fehlenden Lüftungsplanung fehlt bei einer Planung von Schallschutzmaßnahmen ohne Beachtung von Vorgaben des Denkmalschutzes letztlich die Vollzugsfähigkeit der ASE. Die Eigentümer*innen sind regelmäßig nicht selbst in der Lage, die denkmalschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit von Schallschutzmaßnahmen sicherzustellen, da die Belange des Denkmalschutzes bereits bei der Auswahl der konkret im Objekt geeigneten Maßnahmen bzw. bei deren Dimensionierung Berücksichtigung finden müssen. Dies hat das OVG erkannt und damit für die Praxis eine wichtige Klarstellung vorgenommen, indem die Verantwortung für die Einhaltung der Vorgaben des Denkmalschutzes der Flughafengesellschaft zugewiesen wurde. Dies Verantwortung schließt es ein, dass die FBB ihre Planung bei entsprechenden Forderungen im denkmalrechtlichen Erlaubnisverfahren nachbessern muss, um eine Genehmigungsfähigkeit herzustellen.

Das OVG Berlin-Brandenburg hatte in dem Verfahren weiterhin die Gelegenheit, zur Anspruchsberechtigung von „sonstigen nicht nur vorübergehend betrieblich genutzten Räumen“ erneut Stellung genommen. Das Gericht hat hier seine restriktive Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses entsprechend dem Urteil vom 25.06.2021 (OVG 6 A 11/20 und 6 A 1/20, dazu bereits die ausführliche Darstellung von RA Beier HIER) bekräftigt.

Als schützenswerte sonstige betrieblich genutzte Räume sind danach nur diejenigen Räume anzusehen, deren betriebliche Nutzung mit denen von Büro- und Praxisräumen annähernd vergleichbar ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2021, OVG 6 A 8/20, S. 19 f. der Urteilsausfertigung). Schützenswert sind betrieblich genutzte Räume zudem nur dann, wenn sie „nicht nur vorübergehend“ genutzt werden. Diese Anforderung versteht das OVG im Sinne einer nicht nur gelegentlichen, sondern wiederholten und kontinuierlichen Nutzung, die im Wesentlichen einer Nutzung von Büro- oder Praxisräumen vergleichbar sein muss. Die betriebliche Nutzung für Tätigkeiten überwiegend geistiger Art muss demnach einen für die Raumnutzung prägenden Charakter haben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2021, OVG 6 A 8/20, S. 20 der Urteilsausfertigung). Für die im konkreten Fall streitige Nutzung als Tagungs- und Besprechungsraum hat das Gericht einen prägenden Charakter und eine ausreichende Frequenz verneint. Mit der Annahme des Gerichts, eine Schutzbedürftigkeit bestehe nur dann, wenn die Nutzungsfrequenz mit derjenigen von Büro- oder Praxisräumen vergleichbar wäre, dürfte ein Verweis auf den „durchschnittlichen Bürotag“ und eine sich hieran grundsätzlich orientierende Nutzungsfrequenz erforderlich sein. Werden Räume multifunktional genutzt und sind nur einzelne Nutzungen auf einen Kommunikationsschutz angewiesen, dürfte es deshalb meist an einem prägenden Charakter der schutzbedürftigen Nutzung fehlen. Maßgeblich sind letztlich die Umstände des Einzelfalls, wobei die Beweislast für den prägenden Charakter der einem Büro- oder Praxisraum vergleichbaren schutzwürdigen Nutzung bei den Eigentümer*innen liegt.

 

Leipzig, den 01.02.2022

 

RAin Dr. iur. Franziska Heß

Fachanwältin für Verwaltungsrecht