In diesem Beitrag soll einerseits der Inhalt der Entscheidungen in der gebotenen Kürze dargestellt und andererseits ein Ausblick auf die praktischen Auswirkungen der Entscheidungen in Bezug auf die Umsetzung des Schallschutzprogramms insgesamt gegeben werden.

I. 6 A 11/20

In diesem Urteil hat der erkennende Senat seine Rechtsprechung in Bezug auf die Voraussetzung fortentwickelt, dass das Grundstück zum Stichtag 15.05.2000 bebaut oder bebaubar gewesen sein muss, vgl. Teil A II Ziffer 5.1.2, 5.1.3 des Planfeststellungsbeschlusses.

Das betreffende Grundstück der Kläger war im Jahr 2017 mit einem neu errichteten Wohnhaus bebaut worden. In der zugrunde liegenden Auseinandersetzung mit der FBB GmbH ging es zunächst um den Umfang der Anspruchsberechtigung und die Frage, ob auch für neu errichtete Gebäude eine Entschädigung nach der sog. Kappungsgrenze (Teil A II Ziffer 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses) gezahlt werden müsse. Dies hat das erkennende Gericht bereits in einem Parallelverfahren mit Urteil vom 06.05.2021 positiv entschieden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.05.2021, Az. 6 A 9/20).

Es sei vorangestellt, dass die Bebaubarkeit des betreffenden Grundstücks zum Stichtag 15.05.2000 von der Flughafengesellschaft im Rahmen der Anspruchsermittlung bejaht wurde. Erst im Klageverfahren erfolgte der Einwand der Beklagten, dass die Voraussetzung der Bebaubarkeit des Grundstücks zum Stichtag 15.05.2000 nicht erfüllt sei.

Das Gericht hat ausgeführt, dass diese Voraussetzung nur erfüllt ist, wenn das Grundstück zum 15.05.2000 entweder im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 30 Abs. 1 BauGB) oder im unbeplanten Innenbereich gelegen habe.

Das Gericht ging in dem Fall davon aus, dass das Grundstück zum Stichtag 15.05.2000 nicht im bauplanungsrechtlichen Innenbereich gelegen habe, denn es habe sich nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils befunden. Die Bestandsbebauung in der Umgebung des Grundstücks sei nur vereinzelt gewesen und hätte keinen Bebauungszusammenhang dargestellt.

Das Gericht geht davon aus, dass auch in Bezug auf die (nachträgliche) Beurteilung dieses Umstands durch die Bauaufsichtsbehörden diesen kein Beurteilungsspielraum eröffnet sei. Demnach ist die Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, gerichtlich voll überprüfbar. Entsprechende Vorbescheide oder Baugenehmigungen seien deswegen nicht bindend für das Gericht.

Problematisch erscheint, dass das Gericht keinen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darin erblickt, dass die Beklagte die Bebaubarkeit des Grundstücks zum Stichtag 15.05.2000 erst im Klageverfahren bestritten hat. Zur Begründung führt das Gericht lediglich aus, die durchgeführte Bestandsaufnahme und die Anspruchsermittlung allein würden für die Kläger kein schützenswertes Interesse begründen, dass eine Entschädigung auch gezahlt werde. Das Gericht hätte ein schützenswertes Interesse jedoch in dem Umstand erblicken können, dass die Beklagte die grundsätzliche Anspruchsberechtigung, zu der die Frage der Bebaubarkeit zum Stichtag 15.05.2000 zählt, im Rahmen der Antragstellung stets bejaht hat.

Aus dem Urteil folgt, dass es für die Voraussetzung der Bebaubarkeit des Grundstücks zum Stichtag 15.05.2000 allein auf die Lage im bauplanungsrechtlichen Innenbereich bzw. im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes ankommt, die weiteren Voraussetzungen des § 34
Abs. 1 BauGB sind demgegenüber nicht entscheidend.

Es bleibt zu hoffen, dass die FBB GmbH das Urteil zum Anlass nimmt, die Frage der Bebaubarkeit nicht schematisch im Rahmen der Antragstellung zu bejahen und erst nachträglich zu verneinen.

Aus Sicht der Antragsteller wird sich negativ auswirken, dass sie künftig diesen Umstand nicht durch eine schriftliche Bestätigung der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde nachweisen können, sondern für den Fall, dass ihr Grundstück am 15.05.2000 nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes lag, mit erheblichem Aufwand die bauliche Situation ihres Grundstücks zum 15.05.2000 rekonstruieren müssen.

Hier sollten die Baubehörden den Antragstellern unterstützend zur Seite stehen, denn anderenfalls ist zu befürchten, dass eigentlich anspruchsberechtigte Grundstücke unberücksichtigt bleiben werden. Im Zweifelsfall wird die FBB GmbH eine außergerichtliche Klärung ablehnen, sodass den Antragstellern nur bleibt, den Klageweg zu beschreiten.

II. 6 A 1/20

Dem Urteil vom 25.06.2021 (Az.: 6 A 1/20) kommt deswegen eine erhöhte Bedeutung zu, weil es die erste Entscheidung des erkennenden Senats ist, die nicht einen Wohn- oder Schlafraum betrifft.

Im zugrunde liegenden Fall begehrte der Kläger von der Beklagten Schallschutz für seinen gewerblich genutzten Pavillon. In diesem Pavillon stellt der Kläger 40 von ihm restaurierte antike Kachelöfen zum Verkauf aus. Er führt dort regelmäßig Verkaufsgespräche durch, die häufig mehr als eine Stunde dauern. Zu diesem Zweck befinden sich in dem Pavillon auch ein Tisch und Stühle. Der Pavillon wird ausdrücklich nicht als Werkstatt genutzt. Diese befindet sich auch auf dem Grundstück, für sie wurde aber kein Antrag auf Schallschutz gestellt.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich bei dem Ausstellungspavillon weder um einen Büroraum noch um einen nicht nur vorübergehend betrieblich genutzten Raum im Sinne von Teil A II Ziffer 5.1.2 Abs. 1 Satz 1 des Planfeststellungsbeschlusses.

Um einen Büroraum handele es sich nicht, denn der Raum sei nicht ausreichend beheizt und verfüge nicht über eine Toilette bzw. Waschgelegenheiten. Diese Voraussetzungen müsse ein Büroraum aber nach der Arbeitsstättenverordnung (ArbStV) erfüllen. Er sei auch nicht mit einem Büroraum innerhalb einer Wohnung oder eines gewerblich genutzten Grundstücks vergleichbar, denn § 48 Abs. 1 BbgBO fordere für Wohnungen stets ein Badezimmer. Die in dem Pavillon vorhandenen Möbel reichten nicht für eine büromäßige Einrichtung aus.

Bei dem Ausstellungspavillon handele es sich auch nicht um einen sonstigen nicht nur vorübergehend betrieblich genutzten Raum, denn die ausgeübte Tätigkeit sei nicht überwiegend geistiger Art. Dies sei aber Voraussetzung des Schutzanspruchs, denn anderenfalls könnte das Ziel der Schutzauflage, welches im Kommunikationsschutz bestehe, nicht erreicht werden. Zwar seien die Verkaufsgespräche durchaus eine Nutzung, welche des Kommunikationsschutzes bedürfe, aufgrund der Häufigkeit (ca. 1 Verkaufsgespräch pro Woche) und des Umstands, dass der Kläger einen Ein-Mann-Betrieb führe und häufig abwesend sei, reiche der Umfang dieser Nutzung jedoch nicht aus, um die Annahme einer nicht nur vorübergehenden Nutzung zu begründen.

Das Gericht weist außerdem darauf hin, dass die Schutzauflage in Teil A II Ziffer 5.1.2 Abs. 1 Satz 1 des Planfeststellungsbeschlusses den bauordnungsrechtlichen Begriff des Aufenthaltsraumes dahingehend modifiziere, dass nur solche gewerblich genutzten Aufenthaltsräume erfasst seien, in denen Tätigkeiten überwiegend geistiger Art ausgeübt würden. Es gehe somit um die Art der Nutzung des Aufenthaltsraumes als ein Ort, an dem Menschen üblicherweise auf Kommunikation angewiesen seien. Demnach komme es stets auf die Zweckbestimmung an, auch wenn der Raum aufgrund seiner Form und Größe objektiv als Aufenthaltsraum geeignet sei.

Es handelt sich bei dieser Entscheidung zwar um die erste Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg betreffend die Anspruchsberechtigung betrieblich genutzter Räume im Rahmen des Schallschutzprogramms für den Flughafen BER. Gleichwohl handelt es sich aufgrund der besonderen Nutzung des gegenständlichen Raumes und der Fallkonstellation eher um eine Einzelfallentscheidung.

Für künftige Verfahren dürfte jedoch entscheidend sein, dass die Auflage in Teil A II Ziffer 5.1.2 Abs. 1 Satz 1 des Planfeststellungsbeschlusses und der bauordnungsrechtliche Begriff des Aufenthaltsraumes nicht deckungsgleich sind. Die gewerbliche Nutzung muss zum einen von solcher Art sein, dass sie auf Kommunikation angewiesen ist, zum anderen muss diese Nutzung einen Umfang haben, dass sie als nicht nur vorübergehend anzusehen ist. Dafür lässt sich selbstredend kein zeitliches Mindestmaß festlegen. Es wird vielmehr auf eine Gesamtwertung aller Umstände des Einzelfalls ankommen, ob die Nutzung von solcher Art und von solchem Umfang ist, dass sie einen Anspruch auf Ertüchtigung zu begründen vermag.

Es bleibt aber zu befürchten, dass die FBB GmbH das Urteil zum Anlass nehmen wird, in vielen Fällen jedenfalls den Umfang der konkreten Nutzung als nicht ausreichend anzusehen. Dies wird vor allem diejenigen Fälle betreffen, in denen ein Raum nicht in der hergebrachten Art eines Büros oder einer Praxis genutzt wird. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses etwa auch Musikschulen und Theater in der Umgebung des Flughafens und vergleichbare Nutzungen weiter betrieben werden sollen und damit im Zweifel schutzbedürftig sein dürften.

gez. Martin Beier, LL.M.oec., Rechtsantwalt