Nachtfahr- oder Nachtflugverbote kennen wir aus unserer Beratungspraxis. Sie sind in der Regel ein Instrument, um immissionsschutzrechtliche Lärmgrenzwerte während der besonders sensiblen Nachtzeiten einzuhalten. Eine gänzlich andere Schutzrichtung hat das Nachtfahrverbot für Mähroboter, das verschiedene Kommunen und Landkreise in jüngerer Zeit erlassen haben: Es gründet sich auf arten-schutzrechtliche Verbotstatbestände.
Denn Mähroboter stellen eine erhebliche Gefahr für den Europäischen Igel (Erinaceus europaeus) und andere kleine Wirbeltiere dar. Die Geräte arbeiten autonom, sehr geräuscharm und oft nachts – genau zu jener Zeit, in der Igel aktiv auf Nahrungssuche sind. Bei Gefahr rollen sich Igel ein, statt zu fliehen. Viele derzeit handelsübliche Mähroboter sind technisch noch nicht in der Lage, Igel zuverlässig als Hindernis zu identifizieren oder ihnen automatisch auszuweichen. Kommt es zu einer Kollision, verursachen die scharfen Messer und rotierenden Klingen in der Regel schwere Verletzungen oder Verstümmelungen, die häufig tödlich verlaufen.
Die Anzahl der auf diese Weise verletzten und getöteten Tiere ist schwer zu beziffern, da sich verletzte Igel in der Regel verkriechen und nicht aufgefunden wer-den. Dennoch hat etwa der Tierschutzbeirat der Stadt Leipzig allein im Jahr 2024 rund 400 verletzte und 35 bis 40 getötete Igel durch den Einsatz von Mährobotern verzeichnet. Diese Gefährdungslage trifft auf eine ohnehin rückläufige Population. Der Igel ist laut der Roten Liste der Säugetiere in Deutschland (hier zum Download) deutlich im Bestand zurückgegangen. Langzeitstudien belegen eine Abnahme um rund 80 % in vier Jahrzehnten. Hauptursachen sind der Insektenrückgang durch Pestizide, Lichtverschmutzung und der Verlust von Hecken und Gebüschen in der freien Landschaft. Viele Igel weichen deshalb in städtische Gärten und Parks aus und geraten dort verstärkt mit Mährobotern in Kontakt.
Rechtlich ist der Igel eine besonders geschützte Art nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG i. V. m. Anhang IV der FFH-Richtlinie. Somit verbietet § 44 BNatSchG das Töten, das erhebliche Stören und das Zerstören von Fortpflanzungs- und Ruhestätten des Igels. Vor diesem Hintergrund können Kommunen bzw. Landkreise als untere Naturschutzbehörden per Allgemeinverfügung ein Nachtfahrverbot für Mähroboter auf Grundlage von § 3 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 44 BNatSchG erlassen. Von dieser Möglichkeit haben u.a. die Städte Köln, Göttingen, Leipzig, Düsseldorf und Mainz Gebrauch gemacht, in zahlreichen weiteren Städten ist eine entsprechende Allgemeinverfügung in Vorbereitung. Es bietet sich an, das Verbot während der Dämmerung und Nacht auf den Zeitraum von einer halben Stunde vor Sonnenuntergang bis eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang des folgenden Tages zu erstrecken. Dieses ist mit Verweis auf online einsehbare lokale Sonnenuntergangs- und aufgangszeiten hinreichend bestimmt.
Auch ergeben sich – entgegen etwa der ablehnenden Positionierung des Klima- und Umweltschutzreferats der Stadt München – nach hiesiger Ansicht keine Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Anordnung. Das Nachtfahrverbot dient dem Schutz der besonders geschützten Igel und verfolgt damit einen legitimen Zweck. Es begrenzt sich auf die besonders sensible Hauptaktivitätszeit des Igels während der Dämmerungs- und Nachtstunden. Zudem ist eine Allgemeinverfügung erforderlich, da der Erlass individueller Verfügungen im Einzelfall oder erst nach festgestellten Verstößen gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG aufgrund des hohen Kontrollaufwands und der geringen praktischen Durchsetzbarkeit nicht ausreichend und nicht zielführend erscheint. Nicht nachvollziehbar ist vor diesem Hintergrund die gegen eine Allgemeinverfügung angeführte Argumentation, die Einhaltung von Nachtfahrverboten für Mähroboter auf Privatgrundstücken könne insbesondere nachts durch die UNB nicht ausreichend kontrolliert werden (so etwa der ablehnende Beschluss des Klima- und Umweltausschusses der Stadt München vom 20.05.2025).
Der Erlass der Allgemeinverfügung ist insbesondere auch als angemessen zu bewerten, da der damit verfolgte Zweck – der Schutz von Igeln und anderen kleinen Wirbeltieren vor schweren bis tödlichen Verletzungen durch den Einsatz von Mährobotern – nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs steht (siehe hier-zu etwa die Begründung der Allgemeinverfügung der Stadt Leipzig).
Da die Allgemeinverfügung das Verbot auf die Nachtstunden beschränkt und die Nutzung von Mährobotern während des gesamten Tages unberührt lässt, verbleibt ausreichend Zeit für deren Einsatz. Angesichts der überschaubaren Dauer für den Mähvorgang stellt es keine einschneidende Einschränkung dar, den Be-trieb auf den Zeitraum zwischen Sonnenauf- und untergang zu beschränken. Zudem können über generelle Ausnahmen sowie durch die Möglichkeit, im Einzelfall eine Ausnahmegenehmigung oder Befreiung zu beantragen, abweichende Sonderkonstellationen berücksichtigt werden. Diesem vergleichsweise geringfügigen Eingriff steht das Ziel der Verhinderung oder zumindest deutlichen Verringerung der Gefahr einer Verletzung artenschutzrechtlich besonders geschützter Tiere im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gegenüber. Der Bundesgesetzgeber selbst misst der Einhaltung dieses Schutzgebots ein hohes öffentliches Interesse bei, was sich an der Bußgeldandrohung von bis zu 50.000 Euro – auch bei fahrlässigen Verstößen – gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1 und 7 BNatSchG zeigt. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es rechtlich fragwürdig, die Ablehnung einer Allgemeinverfügung mit ihrer angeblich fehlenden Vollziehbarkeit durch die untere Naturschutzbehörde zu begründen. Die Einhaltung eines klar umrissenen Nachtfahr-verbots lässt sich jedenfalls effektiver kontrollieren als einzelne Verstöße gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.
Auch wenn mittlerweile zahlreiche Kommunen und Landkreise ein Nachtfahrverbot für Mähroboter per Allgemeinverfügung erlassen haben, wäre eine einheitliche Regelung durch den Bundesgesetzgeber bzw. im Verordnungswege über § 54 BNatSchG – etwa im Rahmen der Bundesartenschutzverordnung oder des Tierschutzgesetzes- zu begrüßen. Ein entsprechender Anlauf zur Reform des Tierschutzgesetzes fiel in der vergangenen Legislaturperiode der Diskontinuität zu Opfer. Allerdings ist fraglich, ob eine solche Regelung dieselbe öffentliche Aufmerksamkeit erhalten würde wie die vielfach lokaljournalistisch begleiteten kommunalen Maßnahmen. Da in vielen Fällen die durch nächtliche Mähroboter aus-gehenden Gefahren nicht bekannt sind und gleichzeitig eine Bereitschaft zur Anpassung der Betriebszeiten bestehen dürfte, kommt der Verbreitung von Informationen und dem Bewusstsein für artenschutzrechtliche Zusammenhänge eine maßgebliche Rolle bei der Vermeidung von Verstößen zu.
Gez. Dr. Martin Wiesmann
Leipzig, den 15. Juni 2025