Einer Gemeinde stehen nach §§ 24 und 25 BauGB gesetzliche Vorkaufsrechte zu – nach Jahren im Dämmerschlaf werden diese Möglichkeiten des Grundstückserwerbs zur Verwirklichung von gemeindlichen Planungen nun deutlich stärker genutzt als noch vor wenigen Jahren.

Die §§ 24 bis 28 BauGB regeln die gesetzlichen Vorkaufsrechte von Gemeinden nach dem Baugesetzbuch. § 24 BauGB behandelt die allgemeinen Vorkaufsrechte, während sich § 25 BauGB mit den besonderen Vorkaufsrechten befasst. §§ 26 und 27 BauGB behandeln den Ausschluss und die Abwendung des Vorkaufsrechts, § 27a BauGB die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten Dritter und – ganz wichtig – § 28 BauGB das Verfahren zur Ausübung des Vorkaufsrechts sowie Entschädigungsfragen.

Bei Grundstücksverkäufen im Gemeindegebiet erhalten die Gemeinden in der Regel vom den Kaufvertrag beurkundenden Notar die Benachrichtigung über den Verkauf des konkreten Grundstücks mit der Bitte um Mitteilung, ob die Gemeinde ein gegebenenfalls an diesem Grundstück bestehendes Vorkaufsrecht ausüben möchte oder nicht.

 

  1. Vorkaufsrechte nach §§ 24, 25 BauGB

 

Mögliche Vorkaufsrechte kommen nach § 24 BauGB bei einem Verkauf von Grundstücken in Betracht, die

 

  • im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, soweit es sich um Flächen handelt, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke oder für Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3 BauGB festgesetzt ist,

 

  • in einem Umlegungsgebiet,

 

  • in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet und städtebaulichen Entwicklungsbereich,

 

  • im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus und einer Erhaltungssatzung,

 

  • im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans,

 

  • im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist,

 

  • in Gebieten, die nach den §§ 30, 33 oder 34 Absatz 2 BauGB vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können, soweit die Grundstücke unbebaut sind, wobei ein Grundstück auch dann als unbebaut gilt, wenn es lediglich mit einer Einfriedung oder zu erkennbar vorläufigen Zwecken bebaut ist; in Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhalten sind, insbesondere in Überschwemmungsgebieten; sowie in Gebieten nach den §§ 30, 33 oder 34 BauGB, wenn a) in diesen ein städtebaulicher Missstand im Sinne des § 136 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 3 BauGB vorliegt oder b) die baulichen Anlagen einen Missstand im Sinne des § 177 Absatz 2 BauGB aufweisen und die Grundstücke dadurch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld aufweisen, insbesondere durch ihren baulichen Zustand oder ihre der öffentlichen Sicherheit und Ordnung widersprechende Nutzung liegen.

 

Nach § 25 BauGB kann die Gemeinde

 

  • im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch Satzung ihr Vorkaufsrecht an unbebauten Grundstücken begründen;

 

–     in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht;

 

–     im Geltungsbereich eines Bebauungsplans an brachliegenden Grundstücken oder für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) an unbebauten oder brachliegenden Grundstücken durch Satzung ihr Vorkaufsrecht begründen, wenn a) diese vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können und b) es sich um ein nach § 201a bestimmtes Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt handelt.

Wie sich aus den oben dargestellten Formulierungen bereits erkennen lässt, können diese und damit die Beurteilung, ob ein Grundstück von einem gesetzlichen Vorkaufsrecht erfasst ist, schon umfangreiche und auch komplizierte Fragen aufwerfen, die es im Vorfeld der Überlegungen zur Ausübung eines Vorkaufsrechts zu beantworten gilt.

Sobald eine Mitteilung des Notars über einen Grundstückskaufvertrag bei der Gemeinde eingeht, sollte diese prüfen, ob eines der vorgenannten Vorkaufsrechte im konkreten Fall einschlägig ist. Ist dies der Fall, wird vom zuständigen Gremium innerhalb der Gemeinde – in der Regel wird dies der Gemeinderat sein – die Entscheidung zu treffen sein, ob die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht am besagten Grundstück ausüben möchte oder nicht.

 

  1. Wohl der Allgemeinheit

 

Das Vorkaufsrecht darf aber immer nur dann ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt – dem Wohl der Allgemeinheit kann insbesondere die Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde dienen (§§ 24 Abs. 3 S. 1 und 2, 25 Abs. 2 S. 1 BauGB).

Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben.

Es genügt, wenn der Erwerb des Grundstücks im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu den vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecken erfolgt und dabei überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden (EZBK/Stock, 144. EL Oktober 2021, BauGB § 24 Rn. 64).

Die Rechtfertigung der Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Wohl der Allgemeinheit ist im Bescheid, mit welchem das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, nachvollziehbar darzulegen und entsprechend zu begründen.

Die Frage, ob das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des konkreten Vorkaufsrechts tatsächlich rechtfertigt, ist häufig Angriffspunkt für Bescheide sowie demgemäß auch Streitpunkt im Gerichtsverfahren. Eine bloße Vorratsbeschaffung der Gemeinde reicht nicht aus.

 

  1. Ermessen

 

Wesentlicher Aspekt und häufige Fehlerquelle ist darüber hinaus, dass der Gemeinde ein Ermessen dahingehend zusteht, ob sie das Vorkaufsrecht ausüben will oder nicht. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung muss die Gemeinde die Interessen von Käufer und Verkäufer ihren eigenen Interessen gegenüberstellen und untereinander sowie gegeneinander abwägen und schließlich entsprechend gewichten. Schlussendlich müssen die Interessen der Gemeinde die solchen von Käufer und Verkäufer überwiegen, um die Ausübung des Vorkaufsrechts zu rechtfertigen.

Wichtig ist, dass sich dieser ganze Prozess im Bescheid widerspiegelt – allzu oft werden Bescheide erstellt, in denen zum Ermessen – wenn überhaupt – der Gesetzestext abgeschrieben wurde und dann – ohne weitere Ausführungen – der Schluss gezogen wird, die gemeindlichen Interessen würden überwiegen. Dies ist nicht ausreichend und wird vom Gericht im schlimmsten Falle als Ermessensausfall gewertet mit der Folge, dass dann nicht einmal im Prozess Ermessenserwägungen nachgeschoben werden können. Ein Nachschieben von Gründen und somit eine Ergänzung von Ermessenserwägungen im Prozess ist nämlich nur dann möglich, wenn die Grundlage im Bescheid jedenfalls gelegt worden ist und an diese angeknüpft werden kann. Dies hat aber wiederum zur Voraussetzung, dass die Gemeinde jedenfalls erkannt hat, dass ihr ein Ermessen zusteht und kein vollständiger Ermessensausfall zu verzeichnen ist, denn dann gäbe es keine Ermessenserwägungen, an die angeknüpft werden könnte.

 

  1. Frist und Verfahren

 

Unbedingt zu beachten ist darüber hinaus die Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB – das Vorkaufsrecht kann nur binnen drei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden.

Die Frist beginnt mit der ordnungsgemäßen Mitteilung des rechtswirksamen Kaufvertrags (EZBK/Stock, 148. EL Oktober 2022, BauGB § 28 Rn. 27).

Zu beachten ist, dass das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden muss. Der Käufer dagegen ist im Gesetz nicht genannt, allerdings ist auch diesem – gerade auch wegen dessen Abwendungsmöglichkeit nach § 27 BauGB – der Verwaltungsakt jedenfalls bekanntzugeben. Vor Erlass des Verwaltungsakts sind zudem Verkäufer und Käufer anzuhören.

 

  1. Abwendung des Vorkaufsrechts nach § 27 BauGB

 

Der Käufer hat grundsätzlich die Möglichkeit, nach § 27 BauGB die Abwendung des Vorkaufsrechts zu erklären. Voraussetzung ist, dass die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen, und er sich vor Ablauf der Frist nach § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB hierzu verpflichtet.

Liegt eine wirksame Abwendungserklärung des Käufers vor, führt dies dazu, dass das Wohl der Allgemeinheit für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht gegeben ist. Eine rechtswirksam erklärte Abwendung lässt die Rechtswirkungen der Auswirkungen des Vorkaufsrechts entfallen. Sollte also die Abwendung rechtswirksam erklärt sein, wäre das Vorkaufsrecht hinfällig.

Will die Gemeinde dennoch versuchen, am Vorkaufsrecht festzuhalten, muss sie im Rahmen der Klage des Käufers (oder Verkäufers) gegen den Vorkaufsrechtsbescheid die Unwirksamkeit der Abwendungserklärung geltend machen.

 

  1. Rechtsweg

 

Gegen den Vorkaufsrechtsbescheid steht sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer die Möglichkeit der Klage zu. Diese ist grundsätzlich vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Nur für den Fall, dass die Gemeinde den Kaufpreis (wegen Überschreitung des Verkehrswerts) nach § 28 Abs. 3 BauGB herabgesetzt hat, ist nach § 217 BauGB Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen – dieser ist bei der Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat (also bei der Gemeinde), binnen eines Monats einzureichen. Diese hat den Antrag unverzüglich dem zuständigen Landgericht vorzulegen.

Im Hinblick auf die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids ist daher unbedingt darauf zu achten, welcher Rechtsweg im konkreten Fall gegeben ist.

 

  1. Ausblick

 

Derzeit kommen gehäuft Vorkaufsrechtsfälle in unserer täglichen Arbeit vor. Offenbar machen die Gemeinden von den ihnen aus den §§ 24 ff. BauGB zustehenden Rechten in letzter Zeit gehäuft Gebrauch.

 

Bei Fragen zu Vorkaufsrechten, benötigter Hilfe bei der Erstellung von Vorkaufsrechtsbescheiden sowie auch bei Klagen gegen Vorkaufsrechtsbescheide bzw. Vertretung von Gemeinden bei derartigen Klagen Dritter kommen Sie gerne auf uns zu. Wir beraten Sie gerne.

 

gez. RAin Simone Lesch/Fachanwältin für Verwaltungsrecht