Mit dem Einsatz von Agri-Photovoltaik (Agri-PV) können Landwirte ihre Grundstücke doppelt nutzen. Die speziellen Photovoltaik-Anlagen bieten die Möglichkeit, durch hoch aufgeständerte Module Großflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Grundstücken zu realisieren und diese gleichzeitig weiterhin zur Nahrungsmittelproduktion zu verwenden (ausführlich hierzu Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende, 2. Aufl. April 2022, online abrufbar unter: https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/APV-Leitfaden.pdf). Alternativ ist auch eine vertikale Aufständerung möglich, die durch die Freihaltung von Korridoren zwischen den Modulen eine Weiterbewirtschaftung der Agrarflächen ermöglicht.

Damit können sich Landwirte spätestens mit der durch das Osterpaket der Bundesregierung eingeführten Integration von Agri-PV-Anlagen in die Freiflächenausschreibung des § 37 Abs. 1 Nr. 3 a) und b) EEG 2023 (BT-Drs. 20/1630, S. 14) nicht nur ein zweites wirtschaftliches Standbein aufbauen, sondern zusätzlich zum Flächen- und Klimaschutz beitragen.

Der nachfolgende Beitrag beleuchtet, ob und unter welchen Bedingungen die Anlagen baurechtlich errichtet werden dürfen und sowohl Landwirte als auch Natur und Umwelt von einer doppelten Flächennutzung profitieren können.

I.       Genehmigungsfähigkeit im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, § 35 BauGB

Landwirtschaftliche Flächen befinden sich grundsätzlich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, in dem sich die Errichtung baulicher Anlagen nach § 35 Baugesetzbuch (BauGB) richtet. Der Außenbereich dient nach der Intention des Gesetzgebers der naturgegebenen Bodennutzung sowie der Erholung für die Allgemeinheit. Dies hat zur Folge, dass der Außenbereich grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden soll und Vorhaben nach § 35 BauGB nur unter den dort genannten Voraussetzungen (ausnahmsweise) zulässig sind, wobei man zwischen im Außenbereich privilegierten (Abs. 1) und sonstigen Vorhaben (Abs. 2) unterscheidet.

1.       Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB

Geht man die Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 BauGB nacheinander durch, so sticht zunächst § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ins Auge. Danach sind Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn sie einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen.

„Eine im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dienende Funktion hat ein Vorhaben (nur) dann, wenn es dem Betrieb unmittelbar zu- und untergeordnet ist und durch diese Zu- und Unterordnung auch äußerlich erkennbar geprägt wird“ (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008, Az. 4 B 44/08, juris Rn. 7 – zu Windenergieanlagen auf landwirtschaftlichen Grundstücken). Dies hat zur Folge, dass nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur solche Anlagen im Sinn der Nr. 1 privilegiert sind, die im Umfang dem landwirtschaftlichen Betrieb (deutlich) untergeordnet sind und andererseits diesem Betrieb dadurch dienen, dass der erzeugte Strom vorrangig innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs selbst genutzt wird (siehe auch Butin, NVwZ 2021, 1582).

Im Ergebnis ist damit eine Privilegierung von Agri-PV-Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB möglich. Die Anlagen dürfen jedoch nur von untergeordnetem Umfang sein und müssen überwiegend der Versorgung des Betriebs selbst dienen. Sie dürfen also nicht den Strom in das öffentliche Netz einspeisen und können damit auch wirtschaftlich nicht von den im EEG 2023 neu geregelten Ausschreibungen profitieren.

Möglicherweise könnte die Rechtsprechung den Privilegierungstatbestand von Agri-PV-Anlagen zukünftig ausweiten, wenn der Landwirt nachweist, dass die Anlage selbst auch insoweit dem landwirtschaftlichen Betrieb dient bzw. für diesen sogar notwendig ist, weil die PV-Module die angebauten Kulturen (insbesondere bei Sonderkulturen) vor „Wind und Wetter“ (Hagel, starke Sonneneinstrahlung etc.) schützen und damit selbst zur effektiven Bewirtschaftung der Ackerfläche beitragen. Inwieweit die Genehmigungsbehörden und die Rechtsprechung für eine solche Argumentation offen sind, lässt sich aktuell schwer absehen.

2.       Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB

Ein weiterer Privilegierungstatbestand, der bei einer Agri-PV-Anlage eingreifen könnte, ist § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Danach sind Vorhaben privilegiert zulässig, wenn sie der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dienen.

Während die Vorschrift auf den ersten Blick auf Agri-PV-Anlagen zuzutreffen scheint, verlangt die Rechtsprechung, dass die dort genannten Anlagen ortsgebunden sind, d.h. sie dürften nur an dem beantragten Ort betrieben werden können bzw. müssten auf die geografischen und geologischen Besonderheiten der landwirtschaftlichen Fläche angewiesen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994, Az. 4 C 20.93, juris Rn. 14; BVerwG Urteil vom 20.06.2013, Az. 4 C 2.12, juris Rn. 11). Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, weil die Agri-PV-Module in aller Regel auch auf anderen landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden können und nicht auf einen einzelnen Standort angewiesen sind.

Insoweit ist davon auszugehen, dass dieser Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB regelmäßig ausscheidet.

3.       Weitere Privilegierungen und Zulassung im Einzelfall

Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB scheidet ebenfalls für Agri-PV-Anlagen aus. Die Vorschrift regelt zwar die Nutzung solarer Strahlungsenergie, allerdings nur in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden. Diese Voraussetzung fällt für die Agri-PV-Freiflächenanlagen weg, so dass sie auch nicht in den Genuss einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB kommen.

Zusammengefasst steht damit fest, dass Agri-PV-Anlagen nach der aktuellen Rechtslage nicht privilegiert im Außenbereich errichtet werden können, wenn sie entweder einen großen Flächenanteil des landwirtschaftlichen Betriebes einnehmen oder – und dies wird auf die meisten Anlagen zutreffen – beabsichtigen, den Strom überwiegend in das öffentliche Netz einzuspeisen.

Damit verbleibt eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit solcher Anlagen nur unter den strengen Anforderungen des § 35 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 BauGB. Danach dürfen sonstige Vorhaben im Einzelfall nur dann zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt (und die Erschließung gesichert ist). Dabei muss im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob die Agri-PV-Module öffentliche Belange im Sinn von § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB beeinträchtigen können, wobei sich hier vor allem die Frage stellen dürfte, ob die Anlagen ggf. schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB) oder Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigen oder das Orts- und Landschaftsbild verunstalten können (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB).

Unter Zugrundelegung der bisher ergangenen Rechtsprechung zu Freiflächen-Solaranlagen dürfte die Genehmigungsfähigkeit von Agri-PV-Anlagen nach § 35 Abs. 2 BauGB schwierig sein. So hat beispielsweise das OVG Rheinland-Pfalz in einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 (Urteil vom 24.05.2006, Az. 8 A 10892/05, juris Rn. 49) die Errichtung einer Freiflächen-PV-Anlage als mit dem Landschaftsschutz nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB unvereinbar erklärt und das Vorhaben als eine bodennahe industrielle Möblierung des Außenbereichs“ sowie als eine „wesensfremde und der Erholungseignung abträgliche Nutzung“ charakterisiert (OVG RLP, Urteil vom 22.07.2009, Az. 8 A 10417/09, juris Rn. 43; siehe jüngst im Ergebnis auch VG Würzburg, Urteil vom 26.02.2020, Az. W 6 K 19.411, juris Rn. 46).

Im Ergebnis dürfte daher – zumindest unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung – wohl davon auszugehen sein, dass Agri-PV-Anlagen im Normalfall bauplanungsrechtlich nicht im Außenbereich zulässig sind.

II.      Gestaltungsmöglichkeiten im Wege eines Bebauungsplanverfahrens

Lösungsansatz für diese aus Sicht der Landwirte unbefriedigende Gesetzeslage ist die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans (§ 2 Abs. 1 BauGB). Hier kann die Gemeinde – möglichst in Abstimmung mit den Landwirten – entsprechende Flächen zur Nutzung von Agri-PV festsetzen. Anknüpfungspunkt einer solchen Regelung ist § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB, welcher die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung, vorsieht. Die Fläche müsste insoweit gleichzeitig als Fläche für die Landwirtschaft gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB festgesetzt werden, um die Doppelnutzung zu sichern.

Sollten Landwirte selbst auf die Städte und Gemeinden zugehen wollen, kann ein vorhabenbezogener Bebauungsplan nach § 12 BauGB in Betracht kommen, der die o.g. Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 12 und 18 BauGB enthält.

Für die bauleitplanerische Abwägung des Gemeinderats sei darauf hingewiesen, dass mit § 2 EEG 2023 zukünftig festgestellt wird, dass der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen zur Energieerzeugung ein überragendes öffentliches Interesse zukommt (BT-Drs. 20/1630, S. 14). Eine Realisierung im Wege eines Bebauungsplans sollte vor diesem Hintergrund nur in seltenen Fällen scheitern.

III.     Fazit

Der Gesetzgeber hat mit der Einbeziehung von Agri-PV in die Ausschreibungen des EEG zwar finanzielle Anreize für solche Anlagen geschaffen, der bauplanungsrechtliche Rahmen zur Errichtung solcher Anlagen ist allerdings noch unausgereift. Aktuell sind die Landwirte daher auf die Planungsbereitschaft der Städte und Gemeinden und damit auf den Erlass etwaiger Bebauungspläne angewiesen, wenn sie eine Doppelnutzung ihres Grundstücks beabsichtigen. Hier sollte der Gesetzgeber schnellstmöglich einen abgestimmten Privilegierungstatbestand schaffen, um so auch die CO2-Minderungsziele nach Anlage 2 zum KSG für den Sektor Landwirtschaft wirksam vorantreiben zu können.

Sie sind Landwirt und möchten gerne eine Agri-PV-Anlage errichten oder beabsichtigen als Kommune, ihren Landwirten ein solches Vorhaben zu ermöglichen? Wir beraten Sie gerne.

RAin Simone Lesch, Fachanwältin für Verwaltungsrecht und
Dr. Eric Weiser-Saulin, Rechtsanwalt