Nachdem Wölfe durch menschliche Verfolgung im 19. Jahrhundert nahezu ausgestorben waren, ist der Wolf seit den 90-iger Jahren wieder zurückgekehrt und hat seinen ursprünglichen Lebensraum wieder besiedelt. Seitdem hält ein positiver Trend in der Populationsentwicklung an und der Wolf verbreitet sich zunehmend. Dadurch steigt jedoch das Konfliktpotential, denn Naturschutz und Weidetierhaltung müssen miteinander in Einklang gebracht werden.

 

Wolfsschutz nach bisheriger Gesetzeslage

Wölfe werden durch internationales, europäisches und nationales Recht geschützt (sog. Mehrebenensystem). Dies macht den Wolfsschutz zu einem rechtlich komplexen Thema.

Auf internationaler Ebene sind Wölfe durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt, wonach strenge Regeln für Einfuhr, Ausfuhr und Vermarktung der Tiere gelten. Außerdem ist der Wolf bis heute in der Berner Konvention des Europarates von 1979 als streng geschützte Art in Anhang III aufgeführt. Beide Abkommen wurden durch Deutschland ratifiziert, sodass sie völkerrechtlich verbindlich sind.

Auf Grundlage der Berner Konvention wurde auf europäischer Ebene im Jahr 1992 die Fauna-Flora-Habitat (FFH) Richtlinie erlassen. Nach Anhang II der Richtlinie sind besondere Schutzgebiete (auch) für Wölfe auszuweisen, die sogenannten FFH-Gebiete. Die Aufnahme des Wolfs in Anhang IV der FFH-Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten außerdem, nationale Gesetze zu erlassen, die ein strenges Schutzsystem für Wölfe in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten. Die damit verbundenen Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die natürlichen Lebensräume sowie Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlicher Bedeutung erhalten bleiben oder in einen günstigen Zustand zurückgeführt werden.

Im Bundesnaturschutzgesetz wird die europäische Richtlinie in nationales Recht umgesetzt, vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG, wo auf die Richtlinie Bezug genommen wird. Dementsprechend fallen Wölfe unter die Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG und es besteht ein besonderer Schutz. Dieser Schutz beinhaltet gem. § 44 Abs. 1 Nr.1 BNatSchG das Verbot wild lebende Wölfe zu verfolgen, zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Darüber hinaus dürfen Fortpflanzungs- und Ruhestätten des Wolfs weder beschädigt noch zerstört werden, vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Der strenge Schutz umfasst nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG auch das Verbot, die Tiere während der Fortpflanzungszeit oder der Jungenaufzucht erheblich zu stören. Verstöße gegen diese artenschutzrechtlichen Vorgaben, die im Bundesnaturschutzgesetz und der Bundesartenschutzverordnung geregelt sind, gelten in der Regel als Ordnungswidrigkeiten. In schwerwiegenden Fällen können sie jedoch auch als Straftaten eingestuft werden. So stellt die vorsätzliche Tötung eines Wolfs gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG eine Straftat dar, die nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 71 Abs. 2 BNatSchG mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden kann.

Die zuständigen Landesbehörden können unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG gewähren, wie in § 45 Abs. 7 BNatSchG vorgesehen. Dies ist beispielsweise möglich, wenn die Maßnahme im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder zum Schutz der menschlichen Gesundheit erforderlich ist. Ebenso sind Ausnahmen wegen ernster land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden möglich, worunter beispielsweise Schaf- oder Rinderrisse fallen. Falls eine Situation eintritt, in der unzumutbare Belastungen im privaten Bereich entstehen, die nicht durch § 45 Abs. 7 BNatSchG abgedeckt sind, kann auf Antrag gemäß § 67 Abs. 2 BNatSchG eine Befreiung von den Verboten des § 44 BNatSchG erteilt werden. Die Entscheidung über solche Ausnahmen und Befreiungen obliegt dem Bundesamt für Naturschutz.

Wölfe unterliegen weder auf Bundes- noch auf Landesebene dem Jagdrecht. Gleichzeitig sind tierschutzrechtliche Vorgaben, insbesondere die Regelungen des § 1 TierSchG, zu beachten.

 

Rechtsprechung

Zuletzt hatte der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 11. Juli 2024, Az. C-601/22) noch den strengen Schutz von Wölfen gestärkt und geurteilt, dass der Abschuss von Wölfen die absolute Ausnahme bleiben müsse und Schutzmaßnahmen für Nutztiere zunächst vollständig ausgeschöpft werden müssen. Mittelbare wirtschaftliche Schäden für Tierhalter und auch die hohen Kosten für die Schutzmaßnahmen rechtfertigen keine Abschüsse. Es sei vorrangig, dass die Mitgliedstaaten Geld zur Verfügung stellen, um die Herden zu schützen.

Auch durch nationale Rechtsprechung wurde die Einhaltung des Wolfsschutzes sichergestellt, indem u.a. der VGH München die Bayerische Wolfsverordnung für unwirksam erklärte und das OVG Lüneburg die Rechtswidrigkeit einer Abschussgenehmigung für einen Wolf bestätigt hat. Beide Verfahren wurden von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte betreut (näheres dazu siehe in dem entsprechenden Fachbeitrag).

 

Änderung der Berner Konvention zum 07.03.2025

Nachdem sich unter den aktuellen Schutzbedingungen die Zahl der Wölfe in Europa innerhalb der letzten 10 Jahre fast verdoppelt hat, kommt es vermehrt zu Nutztierrissen durch Wölfe, sodass Landwirte zunehmend betroffen sind. Die EU-Kommission hat sich wegen der positiven Populationsentwicklung und um auf die damit einhergehenden zunehmenden Belastungen der Landwirte besser reagieren zu können, beim Europarat für eine Herabsetzung des Schutzstatus von „streng geschützt“ auf „geschützt“ in der Berner Konvention eingesetzt. In der Politik werden die Bestandszahlen des Wolfes so gewertet, dass eine Änderung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhaltung notwendig sei, da auch diese für die Artenvielfalt einen hohen Wert habe. Umweltverbände kritisieren hingegen, dass auch unter den aktuellen Regelungen ein verantwortungsvoller Umgang mit Wölfen möglich sei, da sogar der Abschuss im Einzelfall gestattet werden kann.

Die Änderung des Schutzstatus in der Berner Konvention wurde am 03.12.2024 beschlossen und tritt zum 07.03.2025 in Kraft. Diese Änderung ermöglicht es der EU die FFH-Richtlinie anzupassen, was sich dann wegen der Bezugnahmen nach aktueller Gesetzeslage im BNatSchG auch direkt auf das deutsche Recht auswirken würde. Absichtliche Tötungen von Wölfen sind damit nicht mehr automatisch verboten. Laut der FFH-Richtlinie sind die Vertragsstaaten bei geschützten Arten aber immer noch verpflichtet, einen günstigen Erhaltungszustand sicherzustellen. Arten mit ungünstigem Erhaltungszustand dürfen selbst bei herabgestuftem Schutzstatus nur eingeschränkt bejagt werden. Nach Artikel 14 der FFH-Richtlinie müssen Mitgliedstaaten wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, die bei ungünstigem Erhaltungszustand auch Jagdverbote einschließen können. Andere Maßnahmen könnten Schonzeiten sein, die in den Jagdgesetzen der Bundesländer geregelt sind.

Die Herabstufung löst das zentrale Konfliktthema der Weidetierhaltung also keineswegs und birgt die Gefahr, dass die notwendigen artenschutzrechtlichen Schutzstandards für den Wolf schrittweise zugunsten wirtschaftlicher Interessen ausgehöhlt werden. Auch nach neuer Rechtslage erfordert die Inanspruchnahme einer artenschutzrechtlichen Ausnahme zur Tötung eines Wolfes, Übergriffe auf Nutztiere präventiv durch geeignete Herdenschutzmaßnahmen wie Hütehunde und Wolfsschutzzäune zu verhindern. Diese Maßnahmen müssen, wie auch der Europäische Gerichtshof betont hat, gegenüber Abschüssen Vorrang haben, um das für den Erhalt der Population notwendige Schutzniveau sicher zu stellen. Die Jagd auf Wölfe bietet keine nachhaltige Lösung, da ungeschützte Nutztiere auch bei einer geringeren Wolfspopulation gefährdet bleiben. Langfristiger Schutz erfordert daher präventive Maßnahmen anstelle von Abschüssen.

Auch im Falle einer Änderung der FFH-Richtlinie wird es so lange beim bisherigen Schutzniveau für den Wolf bleiben, bis fachlichen nachgewiesen wird, dass sich die Wolfspopulation in einem guten Erhaltungszustand befindet und die Entnahme von einzelnen Wolfsindividuen diesen Erhaltungszustand nicht gefährden. Daneben hat Deutschland einen Umsetzungsspielraum und es ist den Mitgliedstaaten grundsätzlich erlaubt, ein höheres Schutzniveau festzulegen, als auf EU-Ebene vorgegeben. Die EU-Vorgaben stellen lediglich das Mindestschutzniveau dar. Es liegt daher in der Verantwortung des deutschen Gesetzgebers, die bestehenden Regelungsspielräume im Sinne des Naturschutzes zu nutzen und seiner Schutzpflicht für bedrohte Arten gerecht zu werden.

 

Wir werden die weiteren Entwicklungen genau beobachten und beraten Sie gern.

 

Würzburg, den 31.01.2025

Gez. Amely Zacharias und RA Dr. Eric Weiser-Saulin