Am heutigen 8. März 2024 feiern wir weltweit den Internationalen Tag der Frauen. Die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte nimmt dies zum Anlass, die Errungenschaften einer inspirierenden Juristin hervorzuheben und gleichzeitig auf nach wie vor bestehende Diskriminierungen und Ungleichheiten aufmerksam zu machen. Hierfür hat sich Lilli Dietz mit dem Leben und Wirken der in Würzburg geborenen Juristin Magdalene Schoch beschäftigt, die als erste Frau in Deutschland in Rechtswissenschaften habilitiert wurde.

Die Frau an der Universität

Am 21. September 1903 öffneten die Universitäten in Bayern ihre Türen nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen. Zwar durften Frauen vereinzelt ab 1896 die Universitäten als Gastzuhörerinnen besuchen, jedoch ohne richtige Aussicht auf einen Abschluss. Im Jahre 1900 regelte das Land Baden als deutscher Vorreiter erstmals die ordentliche Immatrikulation von Frauen. Daraufhin ermöglichte die Philosophische Fakultät Heidelberg Frauen ab dem 28. Februar 1900 vollen Zugang zum Studium, womit das „Frauenstudium“ seinen Lauf begann.

Das Studium der Rechtswissenschaften war am Anfang des 20. Jahrhunderts für Frauen besonders unattraktiv. Ihnen wurde zwar im Zuge des Frauenstudiums die Möglichkeit gegeben, sich zu immatrikulieren, jedoch wurde ihnen die Zulassung zu den juristischen Staatsexamina und zum Vorbereitungsdienst sowie die Berufsausübung verwehrt (bis 1922). Nichtsdestotrotz immatrikulierten sich 1907 erstmals Frauen für ein Jurastudium, wobei der Frauenanteil bis in die 1960er-Jahre unter 10 % blieb. An der Universität Würzburg wurde 1909 die erste Frau zu einem Studium der Rechtswissenschaften zugelassen.

Magdalene Schoch – Studium an der Universität Würzburg

„Meine Herren“ – begrüßte der Professor 1916 die neuen Studenten in der ersten Vorlesung im Römischen Recht, bis er Magdalene Schoch erblickte, sprachlos innehielt und dann in ironischem Ton korrigierte: „Meine Herren und meine Dame!“

Magdalene Schoch, geboren am 15. Februar 1897 in Würzburg, strebte entschieden ein Universitätsstudium an und ließ sich diesbezüglich nicht aufhalten, wobei sie wohl nach ihrer Mutter kam. Ihre Mutter, Magarete Schoch, war 1912 eine der Initiatorinnen eines Vereins für Frauenstimmrecht und engagierte sich gegen Kriegstreiberei und Militarismus. Trotz familiärer und finanzieller Schwierigkeiten immatrikulierte Magarete Schoch sich 1916 an der Universität Würzburg. Ihren gewünschten Studiengang der Medizin konnte sie aus finanziellen Gründen nicht besuchen, sodass sie auf das Studium der Rechtswissenschaften auswich. Sie war damit eine der ersten Studentinnen der Universität Würzburg. Dabei bestritt sie kein „klassisches Studium“ der Rechtswissenschaften, sondern belegte zudem noch Vorlesungen zu deutscher, englischer oder US-amerikanischer Literatur, Philosophie sowie Kunstgeschichte. Im Nachhinein beschrieb sie die „Buntheit“ ihres Studiums als: nicht durchweg von Vorteil für die Examenskenntnisse, jedoch für ihre „allgemein-menschliche Ausbildung“ von großer Bedeutung.

Ab dem Jahr 1917 besuchte sie zudem die Vorlesungen des renommierten Völkerrechtlers und „Bürgerhumanisten“ Albrecht Mendelssohn Bartholdy, welcher im Laufe ihrer Karriere noch an großer Bedeutung gewinnen sollte. Schon während des Studiums betreute er Magdalene Schoch bei ihrer Promotion als „Doktorvater“. Nach acht Semestern, eins davon an der Universität München, promovierte sie 1920 in Würzburg mit ihrer Arbeit über die englische Kriegsbesetzung.

Der Weg zur Habilitation

Kurz nach ihrer Promotion folgte Magdalena Schoch ihrem ehemaligen Dozenten Mendelssohn Bartholdy an die neu gegründete Universität Hamburg als kongeniale Assistentin. Mendelssohn Bartholdy leitete dort das Seminar für Auslandsrecht und Internationales Privat- und Prozessrecht. Zudem gründete er 1923 das Institut für Auswärtige Politik, eines der ersten Friedenserforschungsinstitute der Welt, bei dem sie ebenfalls mitwirkte (heute existiert es noch als Institut für Internationale Angelegenheiten). Sie leitete die Rechtsabteilung des Instituts und die Universität Hamburg wurde vor allem durch ihre Arbeit führend in der Lehre und Erforschung des amerikanischen Rechts. Ihr politisches Engagement verknüpfte sie dabei mit ihrer juristischen Arbeit, wobei ihr Schwerpunkt die Förderung der Beziehungen zu den USA sowie die Emanzipation der Frau beinhaltete. Sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern der „Gesellschaft der Freunde der Vereinigten Staaten“ und war Herausgeberin der „Hamburg-Amerika-Post“, eine zweisprachige Zeitschrift, die als „a messenger of good will between the United States and Germany“ dienen sollte. Zudem leitet sie die Spezialbibliothek für Amerikanisches Recht und übernahm weitere zahlreiche Projekte und Tätigkeiten, wobei sie ab 1929 eigene Lehrveranstaltungen zum englischen und US-amerikanischen Recht gab. Ab 1931 amtierte sie als Gründungspräsidentin des ersten Zonta-Clubs in Hamburg, der bis heute zu Zonta International gehört, einem internationalen Zusammenschluss von berufstätigen Frauen in leitenden Positionen.

Schließlich habilitierte sie 1932 als erste deutsche Juristin mit ihrer Habilitationsschrift zum Thema „Klagbarkeit, Prozessanspruch und Beweis im Licht des internationalen Rechts. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Qualifikation“. Daraufhin wurde sie einstimmig zur Privatdozentin für Internationales Privat- und Prozessrecht, Rechtsvergleichung und Zivilprozessrecht und ebnete somit den Weg in die juristische Lehre für Frauen.

Nationalsozialismus

Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten warnte sie öffentlich vor der drohenden Diktatur und war eine der Initiatorinnen einer „Frauenfront“ gegen den Nationalsozialismus. Aber auch nach der Machtübernahme zeigte sie Courage und weigerte sich trotz mehrmaliger Aufforderungen, keine jüdischen Autorinnen und Autoren mehr in ihren Veröffentlichungen zu erwähnen. Im Herbst 1933 wurde Mendelssohn Bartholdy von dem nationalsozialistischen Regime zwangsemigriert und wanderte 1934 nach England aus, wo er bald starb. Magdalene Schoch setzte daraufhin ein Zeichen in ihrer Habilitationsschrift, indem sie diese Mendelssohn Bartholdy widmete. Sie unterstütze auch weiterhin ihre jüdischen und sozialdemokratischen Freunde, verweigerte den Hitler-Gruß und ließ den Zonta-Club im Geheimen stattfinden, damit die jüdischen Mitglieder auch weiterhin teilnehmen konnten.

1937 wurden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Hamburg dazu aufgefordert, der NSDAP beizutreten. Magdalene Schoch verweigerte dies vehement und wurde daraufhin zunehmend vom restlichen Lehrstuhl isoliert sowie in ihrer Forschungs- und Lehrfreiheit eingeschränkt. Sie sah für sich keine Zukunft mehr in ihrem Heimatland und emigrierte noch im selben Jahr ohne finanzielle oder berufliche Aussichten in die USA.

Ein neues Leben in den Vereinigten Staaten

Viele Emigrantinnen und Emigranten drängten auf den amerikanischen Arbeitsmarkt, weshalb Magdalene Schoch erst ein knappes Jahr nach ihrer Ankunft in den USA eine Arbeitsstelle finden konnte. Bis dahin überbrückte sie mit Hilfe einer Freundin aus dem ZONTA-Club. So arbeitete sie von 1938 bis 1943 dann als Forschungsassistentin an der Harvard Law School, wobei die Stelle sehr schlecht bezahlt wurde.

Im Jahr 1943 nahm sie dann die amerikanische Staatsbürgerschaft an und zog nach Washington D. C., wo sie nun als Expertin für Deutsches Recht im Office of Economic Welfare arbeitete. Später arbeitete sie in der Foreign Economic Administration, einer unabhängigen Regierungsbehörde, die Rechtsfragen bezüglich der kommenden deutschen Besetzung und Studien zum Rechtssystem der Nationalsozialisten behandelte. Schließlich nahm sie 1946 eine Stelle als Sachverständige für Internationales und Ausländisches Recht im US-Justizministerium an, wobei sie später zunächst Abteilungsleiterin und dann Divisionsleiterin wurde und 1952 sogar eine Zulassung zum Obersten Gerichtshof der USA erlangte. Sie unterstütze zudem ihre Familie in Deutschland finanziell und ermöglichte 1951 ihrer Schwester sowie ihren Nichten und ihrem Neffen die Auswanderung in die USA. Bis 1966 arbeitete sie im US-Justizministerium, danach war sie als Anwältin und Gutachterin tätig, bis ihre Alzheimer-Krankheit dies letztendlich ausschloss. Am 6. November 1987 starb Magdalene Schoch schließlich in Falls Church, Virginia.

Die Erinnerung an Magdalene Schoch

Heute wird Magdalene Schoch als „Pionierin der Rechtswissenschaften“ bezeichnet. Jedoch vergaß man nach dem Zweiten Weltkrieg ihr Leben und Wirken. Erst durch neuere Forschungen konnte ihr Leben nach der Emigration 1937 rekonstruiert werden. Bis dahin fand man ihren Namen nur in der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg, wobei sie nur kurz als Assistentin von Mendelssohn Bartholdy erwähnt wurde. Ihr Name fehlt auch auf der Liste derer, die die Fakultät während des Nationalsozialismus verlassen mussten. Zudem wurde sie weder in der Habilitationsliste der Fakultät noch in der Ergänzung dieser aufgelistet, womit ihr Name der Einzige ist, der fehlt. Durch diverse Aufarbeitungen, die die nationalsozialistische Vergangenheit der Universitäten und vertriebenen Professorinnen und Professoren untersuchten, gewann ihr Name wieder zunehmend an Bedeutung. 2006 wurde im Zuge eines Projektes „zur Erinnerung an herausragende, im Dritten Reich vertriebene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität“ vorgeschlagen, einen Hörsaal nach Magdalene Schoch zu benennen. Dies war der Anstoß, Nachforschungen zum Leben und Wirken der Magdalene Schoch anzustellen und sie aus der Vergessenheit zurückzuholen. Mittlerweile verleiht die Juristische Fakultät Hamburg jährlich den Magdalene-Schoch-Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten von Studentinnen der Fakultät, um begabte Frauen gezielt fördern zu können.

„Mit Magdalene Schoch wird nicht nur an eine Wissenschaftlerin erinnert, die als erste in Deutschland habilitierte Juristin Fachgeschichte schrieb, sondern es wird zudem einer engagierten Demokratin gedacht, die auch in der NS-Zeit nicht bereit war, ihre Normen preiszugeben oder auch nur zeitweise Konzessionen zu machen, bis eine Emigration aufgrund inneren und äußeren Drucks unvermeidlich wurde.“ (Zitat: Vorwort zum Gedenken an Magdalene Schoch, Eckart Krause und Rainer Nicolaysen)

Würzburg, 8. März 2024

gez. Lilli Dietz