Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat bereits am 30.11.2024 entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland auf die Klage u.a. des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verpflichtet ist, ein Sofortprogramm gemäß § 8 Abs. 1 und 2 Klimaschutzgesetz (KSG) zu beschließen, das Maßnahmen für die Einhaltung der Jahresemissionsmengen der Sektoren Gebäude und Verkehr für die Jahre 2024 bis 2030 sicherstellt (vgl. unsere Pressemitteilung vom 30.11.2023 ).

 

I. OVG Berlin-Brandenburg bestätigt Zulässigkeit der Klage und betont Notwendigkeit der unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschriften über die Klagebefugnis

Aus den seit heute vorliegenden Urteilsgründen ergibt sich, dass die Klage für zulässig erachtet wurde, da der BUND als Umweltvereinigung anerkannt ist und im Rahmen seines satzungsmäßigen Aufgabenbereichs einen Verstoß gegen § 8 KSG als umweltbezogene Rechtsvorschrift geltend machen kann. Der Klagebefugnis des BUND steht dabei das in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG geregelt Erfordernis, dass eine Klage nur zulässig ist, wenn das begehrte Programm einer Pflicht zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung unterliegt, nach Ansicht des OVG Berlin-Brandenburg nicht entgegen. Zwar bedarf ein Sofortprogramm nach § 8 KSG keiner strategischen Umweltprüfung, allerdings läuft dieses Kriterium der ausdrücklich erklärten Regelungsabsicht des Gesetzgebers einer vollständigen Umsetzung der Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention jedenfalls insoweit zuwider, als es der Klagebefugnis eines Umweltverbandes auf Beschluss eines Sofortprogramms im Sinne von § 8 KSG durch die Bundesregierung entgegensteht und damit der Gesetzgeber entgegen Art. 9 Abs. 3 AK gerade nicht sichergestellt hat, dass anerkannte Umweltvereinigungen sich gegen eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften werden können. Das OVG Berlin-Brandenburg hat deshalb richtigerweise angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG, dass es sich um Pläne oder Programme handeln muss, für die eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann, im vorliegenden Fall keine Anwendung darf. Denn der in Rede stehende § 8 KSG dient der Durchführung von Recht der Europäischen Union und die Mitgliedstaaten sind in einem solchen Fall verpflichtet, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte zu gewährleisten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 26 der Urteilsausfertigung).

Soweit die Bundesregierung bestritten hatte, dass § 8 KSG auch der Umsetzung von Unionsrecht dient, legt das Gericht ausführlich und mit überzeugenden Gründen dar, dass sowohl mit Blick auf die Gesetzessystematik als auch nach dem ausdrücklich erklärten Wille des Gesetzgebers § 8 KSG gerade dazu dienen soll, die Vorgaben aus Artikel 8 der Europäischen Klimaschutzverordnung umzusetzen und es sich damit um eine Durchsetzung von Unionsrecht handelt. Das OVG Berlin-Brandenburg folgt hier klar der durch die Rechtsprechung des BVerwG und des EuGH gewiesenen Richtung einer weiten Auslegung des Erfordernisses der „Durchführung von Unionsrecht“ nach Maßgabe der hierfür vorgegebenen Kriterien (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2023, 10 CN 1.23, Inntal Süd, juris Rn 25 f. sowie unsere Pressemitteilung hierzu); EuGH, Urteile vom 8. März 2011 – C-240/09, Slowakischer Braunbär I -, Rn. 45, 51; vom 20. Dezember 2017 – C-664/15, Protect -, Rn 45, und vom 8. November 2022 – C-873/19, Deutsche Umwelthilfe – Rn 66, 77 ff.).

In diesem Zusammenhang stellt das Gericht auch klar, dass der Klage auch nicht § 4 Abs. 1 Satz 10 KSG entgegengehalten werden kann, wonach subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen durch oder aufgrund des KSG nicht begründet werden. Dieser Ausschluss subjektiver (einklagbarer) Rechte ändert an der objektiven Verbindlichkeit der Normen nichts. Der Ausschluss klagbarer Rechte im Klimaschutzgesetz kann zudem nicht so verstanden werden, dass damit die unionsrechtlich geforderte und im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gewährleistete Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden soll. Eine derartige Intention ist auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 32/33 der Urteilsausfertigung).

Soweit die Bundesregierung der Zulässigkeit der Klage entgegengehalten hatte, dass der Klageantrag dem planerischen Gestaltungsspielraum der Exekutive zuwiderlaufe, ist das Gericht dem nicht gefolgt, sondern hat angenommen, dass der BUND diesem Gestaltungsspielraum dadurch Rechnung getragen hat, dass er keine durch das Gericht vorzugebenden Maßnahmen begehrt hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 19 der Urteilsausfertigung).

II. Beschluss der Bundesregierung über Sofortprogramme nach justizfreier Hoheitsakt

Und schließlich hat das OVG Berlin-Brandenburg den Vortrag der Bundesregierung auch insoweit nicht für überzeugend erachtet, als die Regierung sich auf den Standpunkt gestellt hatte, § 8 KSG sei nicht justiziabel. Das Gericht hat hier klargestellt, dass es sich bei einem Beschluss im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 KSG nicht um einen justizfreien Hoheitsakt handelt, der der gerichtlichen Überprüfung entzogen wäre. Denn Beschlüsse der Bundesregierung werden mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nur in Ausnahmefällen – z.B. bei Gnadenentscheidungen – von einer gerichtlichen Überprüfung ausgenommen, da auch solche Akte trotz ihrer politischen Bedeutung rechtlichen Bindungen nach Art. 1 Abs. 3 GG unterliegen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 32 der Urteilsausfertigung).

III. Verpflichtung der Bundesregierung zur Aufstellung von Sofortprogrammen

Das Gericht hat zur Begründetheit der Klage ausgeführt, dass die Bundesregierung nach dem Klimaschutzgesetz verpflichtet ist, ein Sofortprogramm für die Sektoren Gebäude und Verkehr zu erarbeiten, um die festgelegten Jahresemissionsmengen einzuhalten. Der Maßstab, den die Bundesregierung bei der Erstellung des Sofortprogramms beachten muss, ergibt sich aus den gesetzlichen Vorgaben des Klimaschutzgesetzes, die eine wissenschaftsbasierte, zielgerichtete und effektive Verringerung der Treibhausgasemissionen zur Einhaltung der Klimaschutzziele erfordern.

1. Klimaschutzprogramm nach § 9 KSG kann Sofortprogramme nicht ersetzen

Das von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzprogramm nach § 9 KSG ersetzt dabei die Notwendigkeit, bei Verfehlungen in einzelnen Sektoren ein Sofortprogramm nach § 8 KSG aufzustellen, nicht. Bei Sofortprogramm und Klimaschutzprogramm handelt es sich um zwei unterschiedliche Instrumente. Das Klimaschutzprogramm nach § 9 KSG ist das Regelungsinstrument, mit dem die Klimapolitik zur Erreichung der Klimaziele geplant wird. Es schaut in die Zukunft und konkretisiert und operationalisiert die Maßnahmen, mit denen die Zielvorgaben erreicht werden sollen. Damit hat das Klimaschutzprogramm eine mittel- bis langfristige Perspektive. Demgegenüber ist das nach § 8 KSG vorgesehene Sofortprogramm ein reaktives Programm, das bei einer bereits eingetretenen Zielverfehlung einzelner Sektoren kurzfristig wirksame Maßnahmen gewährleisten soll, um den gesetzlich festgelegten Zielpfad zur Klimaneutralität, der in Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG verbindlich vorgegeben wird, wieder einhalten zu können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 37 der Urteilsausfertigung). Unabhängig davon erfüllt das Klimaschutzprogramm 2023 auch die sich aus § 8 KSG ergebenden Anforderungen nicht. Dazu genügt es nach den Urteilsgründen des OVG Berlin-Brandenburg nämlich gerade nicht, dass in das Programm die Maßnahmen eingeflossen sind, die die für die Sektoren Gebäude und Verkehr zuständigen Bundesministerien im Juli 2022 zusammengestellt haben, und dass diese aktualisiert und überarbeitet wurden. Das Klimaschutzprogramm 2023 legt zudem für die Erreichung der Klimaschutzziele bis 2030 einen Maßstab zu Grunde, der nicht dem Maßstab des § 8 Klimaschutzgesetz entspricht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 38 der Urteilsausfertigung).

2. „schnellstmögliche“ Beschlussfassung

Soweit § 8 Abs. 2 Satz 1 KSG die Bundesregierung verpflichtet, einen Beschluss über ein Sofortprogramm „schnellstmöglich“ zu fassen, hat das Gericht die genaue Definition dieses Begriffs offengelassen und hat angenommen, dass unabhängig davon, wie man „schnellstmöglich“ definiert, jedenfalls nach Ablauf von 16 Monaten seit der Vorlage der vom BMDV und vom BMWSB / BMWK erarbeiteten Sofortprogramme vom 13. Juli 2022 davon auszugehen ist, dass diese Entscheidungsfrist abgelaufen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 41/42 der Urteilsausfertigung).

3. Pflicht zum Ausgleich der Zielverfehlungen für die Jahre 2024 bis 2030

Das Programm muss dabei die Zielverfehlungen in den Sektoren Gebäude und Verkehr für die Jahre vor 2030 ausgleichen, insbesondere um sicherzustellen, dass die festgelegten Jahresemissionsmengen dieser Sektoren eingehalten werden. Hierbei hat die Bundesregierung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 KSG einen gewissen Spielraum, denn sie kann die bestehenden Spielräume der Europäischen Klimaschutzverordnung berücksichtigen und die Jahresemissionsmengen der Sektoren gemäß § 4 Abs. 5 KSG ändern, wovon sie bisher aber keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 43/44 der Urteilsausfertigung).

Das OVG Berlin-Brandenburg hat die zwischen den Beteiligten streitige Frage, wie die Verpflichtung zu verstehen ist, dass die Einhaltung der Klimaziele „in den folgenden Jahren“ sicherzustellen ist, ebenfalls im Sinne des Klagevortrags des BUND entschieden. Danach genügt entgegen der Ansicht der Bundesregierung weder ein Ausgleich nur der vorangegangenen Überschreitung noch eine Orientierung allein an dem für das Jahr 2030 vorgegebenen Klimaziel den Anforderungen des § 8 KSG genügt. Bereits der Wortlaut „Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre“ spricht nach Ansicht des Gerichts dafür, dass es um die Rückkehr auf den Zielpfad für die Jahre geht, die auf das Jahr folgen, in dem der zulässige Emissionswert überschritten wurde. Hingegen ergibt sich aus dem Wortlaut nicht, dass es ausreichend ist, die für das Vorjahr festgestellte Überschreitung auszugleichen oder sich an einem Klimaschutzziel im Sinne des § 3 Abs. 1 KSG, vorliegend für das Jahr 2030, zu orientieren (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 45 der Urteilsausfertigung). Das OVG Berlin-Brandenburg führt weiter aus, dass das KSG systematisch zwischen den Zielen und dem dahinführenden Zielpfad unterscheide, was dafürspreche, dass die Bundesregierung sich bei ihrer Beschlussfassung über das Sofortprogramm an dem bereinigten Zielpfad für die Jahre nach der Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmengen zu orientieren hat. Ein Ausgleich nur der entstandenen Überschreitung oder eine Orientierung nur am (Zwischen-)Ziel 2030, das die Einhaltung der dazwischen liegenden Jahres-emissionsmengen nicht berücksichtigt, wäre systemwidrig (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 46 der Urteilsausfertigung). Neben systematischen Argumenten stützt das Gericht seine Auffassung zusätzlich auf verfassungsrechtliche Erwägungen und betont unter Bezugnahme auf den Klimaschutzbeschluss des BVerfG dass die Schonung künftiger Freiheit gerade auch verlange, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten, was es notwendig mache, frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion zu formulieren, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung böten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermittelten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 47 der Urteilsausfertigung unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021, BvR 2656/18 u.a., Rn. 248 und 252). Da der Gesetzgeber sich unter Ausnutzung seines Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums entschlossen habe, zur Sicherung dieser Pflichten das Instrument der Sofortprogramme einzuführen, habe die Bundesregierung insoweit keinen Gestaltungsspielraum, sondern müsse bei dem Beschluss über die Maßnahmen nicht nur die in § 3 KSG genannten Ziele zu berücksichtigen, sondern habe auch die für die Jahre dazwischen durch § 4 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Anlage 2, Abs. 3 KSG festgelegten Jahresemissionsmengen maßgeblich zu berücksichtigen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 47 der Urteilsausfertigung).

4. Stärkung der Rolle des Expertenrats für Klimafragen

Abschließend stellt das Gericht noch klar, dass die Bundesregierung bei dem Beschluss über das Sofortprogramm zu beachten hat, dass dieses Programm die Einhaltung der Jahresemissionsmengen für die folgenden Jahre „sicherstellen“ muss. Die Verwendung des Wortes „sicherstellen“ interpretiert das Gericht dahingehend, dass hoher Grad an Wahrscheinlichkeit der Erreichung des vorgegebenen Ziels, d.h. der Einhaltung der sektorbezogenen Jahresemissionsmengen in den Jahren 2024 bis 2030, bestehen muss. Diese Prognoseentscheidung unterliege zwar hohen Anforderungen und sei komplex, dem werde aber durch die begrenzte gerichtliche Kontrolle derartiger Prognoseentscheidung Rechnung getragen, zudem stehe der Bundesregierung der Expertenrat für Klimafragen zur Seite (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 48 der Urteilsausfertigung). Bei ihrem Beschluss über ein Sofortprogramm sei die Bundesregierung zwar nicht an die Beurteilung der Eignung der vorgesehenen Einzelmaßnahmen durch den Expertenrat gebunden. Das bedeutet aber entgegen der Ansicht der Bundesregierung nicht, dass sie (auch) bei der Einschätzung der Tauglichkeit der Maßnahmen eines Sofortprogramms völlig frei sei (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 48/49 der Urteilsausfertigung).

Hier stärkt das Gericht ganz wesentlich die Rolle des Expertenrats für Klimafragen, indem es annimmt, dass die Bundesregierung die Prüfergebnisse des Expertenrates bei der Entscheidung über die Maßnahmen eines Sofortprogramms gem. § 8 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 KSG angemessen berücksichtigen müsse. Soweit die Prüfung des Expertenrats methodische Mängel bei der Ermittlung der dem Beschlussvorschlag zugrunde gelegten THG-Minderungswirkung feststellt oder tatsächliche Annahmen im Hinblick auf die Realisierungswahrscheinlichkeit der Minderungswirkung in Frage stellt, begründet dies nach Auffassung des Gerichts mindestens eine gesteigerte, nachvollziehbar begründete Einwände berücksichtigende Begründungspflicht der Bundesregierung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 48/49 der Urteilsausfertigung). Zudem sieht das Gericht anders als die Bundesregierung eine Pflicht zur Beteiligung des Expertenrats nicht nur an den Sofortprogrammen, die von den Ministerien vorgeschlagen werden, sondern dem Expertenrat sind gerade die von der Bundesregierung beratenen und danach für den zu fassenden Beschluss konkret in Aussicht genommenen Maßnahmen zur Überprüfung zu übermitteln (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2023, 11 A 1/23, S. 49/50 der Urteilsausfertigung).

IV. Fazit

Insgesamt betrachtet hat das OVG Berlin-Brandenburg eine gut begründete Entscheidung getroffen und hierbei Auslegungsmaßgaben für das KSG formuliert, die auch über § 8 KSG hinaus Bedeutung haben. Dies betrifft insbesondere die Rolle des Expertenrates, aber auch die verfassungskonform interpretierte Verpflichtung, die Einhaltung der Klimaziele sicherzustellen. In Bezug auf die komplexen Fragen der Zulässigkeit stützt das Gericht seine Argumentation auf mehrere, selbständig tragende Gründe und folgt der Sache nach dem auch vom BVerwG eingeschlagenen Weg, wonach anerkannte Umweltvereinigungen immer dann klagen können, wenn eine Verletzung unionsrechtliche Umweltschutzvorschriften entgegensteht.

Es bleibt nun abzuwarten, ob die Bundesregierung eine Revision vor dem BVerwG anstrebt. Die Darlegung eines Bundesrechtsverstoßes durch das OVG Berlin-Brandenburg dürfte allerdings eine Herausforderung werden, da das Urteil nach hiesiger Einschätzung klar und durchgängig überzeugend begründet ist. Ein Revisionsverfahren dürfte deshalb auch eher den Zweck verfolgen, Zeit zu gewinnen, um sich im Wege einer Änderung des KSG der Verpflichtung zur Aufstellung von Sofortprogrammen vielleicht doch noch zu entziehen. Ob dies rechtlich möglich ist, bleibt abzuwarten.

Leipzig, den 02.02.2024

 

RAin Dr. iur. Franziska Heß

Fachanwältin für Verwaltungsrecht

 

Lisa-Marie Hörtzsch

Rechtsanwältin