Immer wieder stellen sich Fragen zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen für bereits seit längerem vorhandene Erschließungsanlagen, namentlich Straßen. Sowohl Private, die nach Jahren bzw. nach Jahrzehnten der Straßenbenutzung einen Bescheid über die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die ihr Wohn- oder Gewerbegrundstück erschließende Straße erhalten, wie auch Gemeinden im Rahmen ihrer Beitragserhebung fragen sich, ob und warum die entsprechende Straße noch abgerechnet werden kann. Viele Private meinen, dies sei wegen der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Bayern seit dem 01.01.2018 oder auch wegen der bereits langjährigen Benutzbarkeit der Straße von vornherein unzulässig.

Dem kann jedenfalls pauschal so nicht zugestimmt werden. Richtig ist, dass die Straßenausbaubeiträge in Bayern mit Wirkung zum 01.01.2018 abgeschafft worden sind. Dies heißt jedoch nicht, dass für Straßen bzw. Erschließungsanlagen seitdem gar keine Beiträge mehr erhoben werden können. Straßenausbaubeiträge konnten vielmehr nur dann erhoben werden, wenn die Straße bereits erstmalig endgültig hergestellt und damit aus dem spezielleren Regime des Erschließungsbeitragsrechts entlassen worden war. Bei der Erhebung der Beiträge für die erstmalige endgültige Herstellung einer Straße ging auch während der Möglichkeit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen des Erschließungsbeitragsrecht vor; Straßenausbaubeiträge kamen nur dann in Betracht, wenn eine bereits erstmalig endgültig hergestellte und nach dem Erschließungsbeitragsrecht abgerechnete Straße in einem Umfang erneuert oder verbessert wurde, der über eine übliche Instandhaltung hinausging.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen bedeutet dies, dass seit 2018 gerade nicht die Beitragserhebung im Hinblick auf die Abrechnung von Straßen schlechterdings ausgeschlossen ist, sondern nur dann, wenn diese bereits erstmalig endgültig hergestellt und entsprechend abgerechnet worden sind bzw. eine solche Abrechnungsmöglichkeit z. B. wegen Verjährung nicht mehr möglich ist. Die Illusion, für Straßen könnten gar keine Beiträge mehr erhoben werden, muss damit den Grundstückseigentümern genommen werden.

Geht nun ein (Erschließungs-)Beitragsbescheid für die Erschließungsstraße ein, ist zuvorderst zu fragen, ob für diese Straße bereits vormals ein Erschließungsbeitrag erhoben worden ist – ist dies der Fall, ist die erneute Erhebung eines Erschließungsbeitrags wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung unzulässig.

Wurden bislang für die entsprechende Erschließungsanlage noch keine Beiträge erhoben, kommt eine solche Beitragserhebung grundsätzlich in Betracht. Allerdings ist – gerade bei Straßen, die nicht vor Kurzem neu hergestellt worden sind, sondern schon länger existieren – die Frage zu stellen, ob die Erhebung des Erschließungsbeitrags nicht bereits verjährt ist bzw. im Hinblick auf Art. 5a Abs. 7 Kommunalabgabengesetz (KAG), der für bestimmte bestehende Anlagen eine Beitragserhebung ausschließt, eine Beitragserhebung überhaupt noch in Betracht kommt.

Zur Verjährung ist hierbei festzuhalten, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG i. V. m. § 169 Abgabenordnung (AO) die Festsetzung des Beitrags in der Regel vier Jahre nach Entstehung des Beitragstatbestands verjährt – hier sind dann Fragen wie beispielsweise die Rechtmäßigkeit der Beitragssatzung bzw. die Frage des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung zu stellen. Darüber hinaus ist die Festsetzung des Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre (bei einem Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht des Art. 5 Abs. 2a KAG grundsätzlich 25 Jahre) nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage – also die vollständige technische Herstellung gemäß dem gemeindlichen Bauprogramm sowie dem technischen Ausbauprogramm – eingetreten ist, nicht mehr zulässig. Damit soll eine über diesen Zeitraum hinausgehende noch längere Erhebungsmöglichkeit unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes der Beitragsschuldner ausgeschlossen werden. Erfolgt also eine Beitragserhebung mehr als 20 Jahre nach vollständiger technischer Herstellung der Straße, ist an Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG i. V. m. § 169 AO zu denken und zu prüfen, ob aus diesem Grund eine Beitragserhebung nicht mehr zulässig ist.

Davon zu unterscheiden und gleichsam eine weitere Möglichkeit der Unzulässigkeit einer Beitragserhebung zeigt Art. 5a Abs. 7 KAG. Hiernach kann für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht aufgrund der bis zum 29.06.1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, auch nach dem Kommunalabgabengesetz kein Erschließungsbeitrag erhoben werden. Dies gilt auch – und gerade das ist in vielen Fällen die Frage -, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind.

 

Also Achtung: Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG i. V. m. § 169 AO stellt auf die Beendigung der technischen Herstellung ab und knüpft daran seine 20 – bzw. 25 -Jahres-Frist, während Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG auf den Beginn der erstmaligen technischen Herstellung abstellt und hieran eine Frist von 25 Jahren knüpft. Grund ist der, dass ohne letztgenannte Regelung eine irgendwann in grauer Vorzeit im Hinblick auf deren technische Herstellung begonnene Erschließungsanlage ansonsten unendlich viel später abgerechnet werden könnte, da Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG i. V. m. § 169 AO ja nur dann greift, wenn die Anlage seit mehr als 20 Jahren abgeschlossen (also gerade nicht begonnen!) wurde. Um auch in solchen Fällen, in denen die Gemeinde mit der erstmaligen technischen Herstellung zwar begonnen, diese aber innerhalb eines Zeitraums von mindestens 25 Jahren immer noch nicht abgeschlossen hat, das Vertrauen des Beitragsschuldners zu schützen, kann nach Ablauf dieses Zeitraums auch keine Erhebung von Erschließungsbeiträgen mehr erfolgen.

 

Hier muss man aber aufpassen: Oftmals scheidet die Anwendbarkeit des Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG aus dem Grund aus, dass – obwohl die Straße längst „vorhanden“ und befahrbar ist – noch niemals mit deren erstmaliger technischer Herstellung begonnen wurde. Unter dem Beginn der technischen Herstellung kann nicht jede Straßenbaumaßnahme verstanden werden. Maßgeblich ist, dass diejenige technische Maßnahme, die dem Fristbeginn zugrunde gelegt werden soll, objektiv auf die erstmalige und endgültige Herstellung gerichtet ist und bei Fortführung der Baumaßnahmen zur endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage führen soll, also Teil der Herstellung ist. Damit scheiden solche Maßnahmen aus, die sich als reines Provisorium darstellen, die also gerade nicht der endgültigen Herstellung dienen – in der Praxis handelt es sich zumeist um sog. Staubfreimachungen (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Rn. 1101a).

Für die Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung einer Straße greift die Rechtsprechung zur Bestimmung der örtlichen Verkehrsbedürfnisse auf die Richtlinie des Staatsministeriums des Innern für Wohnstraßen vom 06.08.1936 zurück. Zumindest seitdem war für die Herstellung einer Straße auch ein kunstgerechter Unterbau erforderlich. Dieser musste auch in ländlichen Gemeinden frostsicher ausgeführt sein. Es bedurfte weiter einer Abgrenzung zwischen Fahrbahn und Gehsteigen durch Randsteine und einer Straßenentwässerung (Schmitz, Vorhandene Erschließungsanlagen im Sinn des § 242 Abs. 1 BauGB aus bayerischer Sicht, BayVBl. 2014, 613, 617 m. w. N., insb. auf zahlreiche Entscheidungen des BayVGH).

Geht es also um die Abrechnung bereits seit längerem „vorhandener“ bzw. befahrbarer Straßen, ist genau zu prüfen, ob mit deren Herstellung überhaupt jemals im Sinn des Beitragsrechts begonnen worden ist oder – was in der Realität oftmals der Fall ist – ob einfach auf einen Feldweg eine Teerschicht aufgebracht wurde, um die Straße staubfrei zu machen, was nur ein Provisorium darstellt und gerade nicht den Beginn der erstmaligen technischen Herstellung.

Wie vorstehend aufgezeigt, sind somit bei der Frage der Möglichkeit der Erhebung von Erschließungsbeiträgen gerade für schon länger bestehende Erschließungsanlagen Vorsicht sowie eine genaue Prüfung geboten.

 

Wir helfen Ihnen gerne bei der Beantwortung entsprechender Fragen zur Abrechenbarkeit von Erschließungsanlagen bzw. bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit etwaiger Beitragsbescheide. Hierbei umfasst unser Aufgabengebiet nicht nur Erschließungsbeiträge, sondern auch andere Beiträge wie z. B. Herstellungsbeiträge für die öffentliche Wasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung. Gerne sind wir Ihnen auch bei derartigen Rechtsproblemen behilflich.

 

Würzburg, 22.12.2023

gez. Rechtsanwältin Simone Lesch/Fachanwältin für Verwaltungsrecht