Im Auftrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag und im Deutschen Bundestag sowie der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament hat die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB aufgrund aktueller Ereignisse die Vereinbarkeit dieser Entwicklungen mit dem deutsch-polnischen Abkommen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet von 2015 rechtlich begutachtet.

Im Rahmen der aufgeworfenen Fragen zeigt das Gutachten auf, dass bereits aktuell eine Vertragsverletzung durch die Republik Polen festzustellen ist. Hintergrund ist insbesondere Artikel 3 Absatz 6 des Abkommens, welcher die Vertragsparteien dazu verpflichtet sicherzustellen, „dass die [jeweiligen Umsetzungs-] Maßnahmen im Einklang mit den im Hoheitsgebiet ihres Staates jeweils geltenden Rechtsvorschriften stehen“. Dies ist nicht der Fall, denn die Umsetzungsmaßnahmen auf polnischer Seite stehen nicht nur im Widerspruch zu polnischem nationalen Recht, sondern auch im Widerspruch zu Europarecht, wie z.B. der UVP-Richtlinie, der FFH-Richtlinie oder der Wasserrahmenrichtlinie.

Die Bewertung der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte stützt sich dabei zum einen auf ein bereits im Januar 2022 von der Kanzlei vorgelegtes Rechtsgutachten zum Ausbau einer konkreten Umsetzungsmaßnahme (Heß/Weiser-Saulin/Wulff, Gutachterliche Stellungnahme vom 19.01.2022, online abrufbar unter: https://www.skakeller.de/fileadmin/user_upload/Gutachten-Oder_GrueneEFA-Baumann.pdf), zum anderen aber auch auf zwischenzeitlich ergangene Gerichtsentscheidungen von polnischen Gerichten, die zugunsten von Umweltverbänden einen Baustopp verhängt haben, der jedoch von den polnischen Behörden bislang nicht durchgesetzt bzw. bewusst missachtet wird. So hatte unter anderem das Oberste Verwaltungsgerichts in Warschau (Az. III OZ 78/23) am 07.03.2023 bestätigt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der vom Generaldirektorat erlassene Umweltbescheid fehlerhaft sei und es durch die Fortsetzung der Ausbaumaßnahmen zu schweren und irreversiblen Eingriffen in die Umwelt kommen könne.

Darüber hinaus äußert sich das Rechtsgutachten auch kritisch zu den geplanten Ausbaumaßnahmen auf deutscher Seite. Anlass hierfür ist eine von der Bundesanstalt für Wasserbau Karlsruhe (BAW) in Abstimmung mit den Behörden der Vertragsparteien erarbeitete Stromregelungskonzeption aus dem Jahr 2015. Diese zeigt auf, dass es durch die Ausbaumaßnahmen auf einer Länge von 130 km zu Erhöhungen der Hochwasserwelle kommen und lediglich auf einer Länge von 20 km zu einer geringfügigen Verringerung der Hochwasserwelle um ca. zwei bis drei Zentimeter kommen wird. Es steht daher ernsthaft zu befürchten, dass die Ausbaumaßnahmen nicht mit dem Gebot der Hochwasserneutralität vereinbar sind, welches in § 68 Absatz 3 Wasserhaushaltsgesetz verankert ist und über § 14b Abs. 1 S. 2 Bundeswasserstraßengesetz auch in den Planfeststellungsverfahren von Bundeswasserstraßen durch die GDWS strikt beachtet werden muss.

Im Rahmen der Pressekonferenz am 16.10.2023 appellierten Vertreter*innen der jeweiligen Fraktionen an das zuständige Bundesverkehrsministerium nun endlich tätig zu werden und die im Rechtsgutachten aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten zu nutzen. In diesem Zuge sollte das Abkommen gerade angesichts des massenhaften Fischsterbens in der Oder im Sommer 2022 insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden und mit der polnischen Seite entsprechend nachverhandelt werden.

Das Gutachten wurde unter folgendem Link Veröffentlicht:

https://gruene-fraktion-brandenburg.de/uploads/images/Gutachterliche_Stellungnahme.pdf

 

Gez. Dr. Eric-Weiser-Saulin/Rechtsanwalt