In dem von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB (Würzburg, Leipzig, Hannover) vertretenen Normenkontrollverfahren des Umweltforum Osnabrücker Land e.V. gegen die Landschaftsschutzgebietsverordnung (LSG) „Bäche im Artland“ hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg (Aktenzeichen 4 KN 204/20) das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der europäischen Richtlinie über strategische Umweltprüfung (Richtlinie 2001/42/EG – sog. SUP-RL) und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (RL 92/43/EWG – sog. FFH-RL) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Das Umweltforum hatte bereits im Oktober 2020 wegen verschiedener Mängel einen Normenkontrollantrag gegen die vom Landkreis Osnabrück erlassene LSG-Verordnung „Bäche im Artland“ eingereicht, mit dem das gleichnamige europäische Schutzgebiet rechtlich gesichert werden sollte. In der LSG-Verordnung werden u.a. forstwirtschaftliche Arbeiten oder die Gewässerunterhaltung von der Verträglichkeitsprüfungspflicht nach FFH-RL ausgenommen und für zulässig erklärt und nur ein Teil der an die EU-Kommission gemeldeten Schutzgebietskulisse unter Schutz ge-stellt. Die nach Auffassung der Antragsteller erforderliche Durchführung einer strategischen Umweltprüfung (SUP) für die Schutzgebietsverordnung wurde unterlassen.

Das OVG Lüneburg hat mit Beschluss vom 4. Juli 2023 das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen vorgelegt, um klären zu lassen, ob eine Schutzgebietsverordnung oder Teile davon der Pflicht zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung unterliegen, wenn damit Projekte im Sinne der FFH-RL zugelassen werden, die erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungszielarten und -lebensräume zur Folge haben und damit erhebliche Umweltauswirkungen verursachen können. Zugleich formulierte das OVG die Frage, ob eine unterbliebene SUP nachgeholt und mit einem ergänzenden Verfahren geheilt werden kann oder nicht.

Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß (Fachanwältin für Verwaltungsrecht) begrüßt den Vorlagebeschluss und betont die Reichweite der Verfahrensergebnisse:

„Wir sind mit der Entscheidung des OVG Lüneburgs, den EuGH wegen der strittigen Fragen zum europäischen Natur- und Umweltschutzrechts einzuschalten, sehr zu-frieden und hatten auf eine Vorlage hingearbeitet. Nachdem der EuGH bereits ge-klärt hat, dass Schutzgebietsverordnungen im Einzelfall einer SUP-Pflicht unterliegen können, kommt es jetzt auf die Frage an, ob eine Verordnung mit umfangreichen Freistellungen, u.a. für forstwirtschaftliche Nutzungen oder die Unterhaltung der Gewässer, in Teilen oder in Gänze der SUP-Pflicht unterliegen kann. Es ist deshalb zu begrüßen, dass sich das OVG Lüneburg entschieden hat, durch Einschaltung des EuGH für mehr Rechtsklarheit zu sorgen. Sollte der EuGH die SUP-Pflicht bejahen und die Möglichkeit einer nachträgliche Fehlerheilung ablehnen, dann hätte dies auch gravierende Auswirkungen auf die generelle Unterschutzstellungspraxis von FFH-Gebieten in Deutschland.“

Dr. Matthias Schreiber (Umweltforum) sieht sich in seiner Kritik an der Art und Weise der Unterschutzstellung bestärkt:

„Die FFH-RL verlangt die Etablierung eines strengen Schutzgebietsregimes durch die EU-Mitgliedstaaten. Nationale Schutzgebietsverordnungen mit den in Deutschland üblichen umfangreichen Freistellungen für Nutzungen, die mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden sein können, genügen unserer Ansicht nach diesem Maßstab nicht. Anhand der LSG-Verordnung „Bäche im Artland“ wollen wir das exemplarisch klären lassen und begrüßen es sehr, dass auch das OVG Lüneburg Klärungsbedarf durch den EuGH sieht. Mit dem Normenkontrollantrag verfolgen wir das Ziel, dass die europäischen Schutzgebiete generell in Deutschland und vor allem hier bei uns im Osnabrücker Land Richtlinien-konform unter Schutz gestellt wer-den und tatsächlich das Schutzniveau erhalten, das es für einen effektiven Naturschutz braucht. Dazu gehört eben auch, dass Schutzgebietsverordnungen keine pauschalen Freistellungen von der Verträglichkeitsprüfungspflicht vorsehen und alle maßgeblichen Gebietsteile umfassen.“

Leipzig, 10.07.2023

gez. RAin Dr. iur. Franziska Heß/Fachanwältin für Verwaltungsrecht

 

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