Mit dem Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht (BGBl. 2023 I Nr. 6 vom 11.01.2023) haben sich die Rahmenbedingungen zur Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen erheblich verbessert. Der Gesetzgeber hat erstmals eine Privilegierung für Freiflächen-PV-Anlagen in das Baugesetzbuch aufgenommen, so dass diese auch ohne vorherige Aufstellung eines Bebauungsplans errichtet werden können. Der nachfolgende Beitrag erläutert die veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen und die praktische Bedeutung dieser Vorschrift für das Bauplanungs- und genehmigungsverfahren.

I.       Bisherige rechtliche Situation

In der Vergangenheit erforderte die Realisierung einer Freiflächen-PV-Anlage im bauplanungsrechtlichen Außenbereich stets die Aufstellung eines Bebauungsplans. Die Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 BauGB waren auf diese Anlagen nicht anwendbar (siehe auch BT-Drs. 20/4704, S. 16).

Insbesondere schied eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB grundsätzlich aus, da die Freiflächen-PV-Anlagen nicht – wie nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB erforderlich – ortsgebunden sind, sie vielmehr überall errichtet werden können und damit auch an anderen, umweltverträglicheren Flächen, realisierbar sind (OLG Dresden, Urteil vom 5. März 2014, Az. 1 U 635/13, juris 44).

Eine Realisierung von Freiflächen-PV-Anlagen im Außenbereich scheiterte bislang auch regelmäßig beim Versuch einer Einzelzulassung nach § 35 Abs. 2 BauGB. Eine solche setzt voraus, dass öffentliche Belange der baulichen Anlage nicht entgegenstehen. Bei Freiflächen-PV-Anlagen ist insbesondere der Landschaftsschutz nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB tangiert, weshalb die Rechtsprechung eine Genehmigungsfähigkeit von Freiflächen-PV-Anlagen unter Verweis auf eine „wesensfremde und der Erholungseignung abträgliche Nutzung“ über § 35 Abs. 2 BauGB bislang abgelehnt hat (siehe z.B. OVG RLP, Urteil vom 22.07.2009, Az. 8 A 10417/09, juris Rn. 43).

Dieser Rechtslage wollte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht zumindest teilweise entgegentreten und hat die Genehmigungsmöglichkeiten von Freiflächen-PV-Anlagen nunmehr – in engen Grenzen – gesetzlich erweitert.

II.      Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b BauGB

Durch die bereits genannte Gesetzesänderung wurde zum 11.01.2023 in § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b BauGB ein neuer Privilegierungstatbestand geschaffen, der eine Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen im Nahbereich bestehender Verkehrsinfrastrukturen ermöglicht. Die Regelung lautet:

„(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es (…)

der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient (…)

  1. b) auf einer Fläche längs von
  2. aa) Autobahnen oder
  3. bb) Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen

und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn.“

Der Gesetzgeber hält diese Erweiterung der Privilegierungstatbestände von Vorhaben im Außenbereich für gerechtfertigt, da die Flächen entlang von Autobahnen und Schienenwegen ohnehin durch optische und akustische Belastungen vorgeprägt seien, sodass eine Belegung mit PV-Anlagen auch ohne vorherige Durchführung eines Planverfahrens ermöglicht werden solle (BT-Drs. 20/4704, S. 17).

Eingeschränkt ist der Anwendungsbereich der Vorschrift jedoch zum einen durch die Begrenzung auf Autobahnen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 FStrG) und Schienenwegen des übergeordneten Netzes mit mindestens zwei Hauptgleisen. Damit entfallen für die Privilegierung sämtliche Bundesstraßen mit ihren Ortsdurchfahrten (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 FStrG) und auch sämtliche Landesstraßen. Die Schienenwege des übergeordneten Netzes müssen zunächst über die vom Eisenbahnbundesamt gemäß § 2c Abs. 5 AEG veröffentlichte Liste identifiziert werden. Ob die jeweils betroffene Strecke auch zwei Hauptgleise hat und der Privilegierungstatbestand tatsächlich eingreift ist aus der Liste jedoch nicht ersichtlich. Um dies herauszufinden muss entweder eine Abfrage bei der DB Netz AG oder eine eigene Recherche über das Infrastrukturregister (ISR) der DB Netz AG erfolgen. Hier wäre die Veröffentlichung einer „Positivliste“ mit den betroffenen Strecken durch den Gesetzgeber als Anlage zum BauGB wünschenswert gewesen.

Zum anderen ist der Anwendungsbereich dadurch eingeschränkt, dass im Bereich der Bundesautobahnen die Anbauverbotszone im Bereich bis zu 40m längs der Autobahn (§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB) und der Zustimmungsvorbehalt des Fernstraßenbundesamtes in der Baubeschränkungszone im Bereich von 40 bis 100m längs der Autobahn (§ 9 Abs. 2 S. 1 N. 1 FStrG) zu beachten ist. Diese Regelungen bleiben trotz des Privilegierungstatbestandes anwendbar.

Damit stellt sich die Frage der praktischen Bedeutung der gesetzlichen Änderungen, was nachfolgend unter Berücksichtigung der Einschränkungen näher beleuchtet wird.

III.     Bedeutung der Änderung für das Bauleitplanverfahren und das Baugenehmigungsverfahren

Im Bauleitplanverfahren führt der neue Privilegierungstatbestand für Städte und Gemeinden zunächst nicht dazu, dass einem Bebauungsplan mit der Festsetzung einer Freiflächen-PV-Anlage innerhalb der 200 Meter-Zone des § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b) BauGB die Erforderlichkeit fehlen würde. Die Gemeinden können daher nach wie vor diese Bereiche „positiv“ einer Nutzung von Freiflächen-PV zuführen und dadurch ggf. konkurrierende privilegierte Nutzungen ausschließen (z.B. Landwirtschaft, Anlagen der öffentlichen Versorgung etc.).

Die Erteilung einer Baugenehmigung ist auch im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b) BauGB den bereits genannten Einschränkungen des § 9 FStrG unterworfen. Diese fernstraßenrechtlichen Bestimmungen können als öffentlich-rechtliche Vorschriften der Erteilung einer Genehmigung entgegenstehen (vgl. z.B. Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO; § 72 Abs. 1 SächsBO). Der Gesetzgeber hat dies in seiner Gesetzesbegründung zur Einführung des § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b) BauGB wie folgt beschrieben (BT-Drs. 20/4704, S. 17):

„Zu beachten ist, dass nach § 9 Absatz 8 FStrG im Bereich von bis zu 40 Metern längs der Bundesautobahnen Hochbauten jeder Art – vorbehaltlich einer möglichen Ausnahme nach § 9 Absatz 8 FStrG – nicht errichtet werden (Anbauverbotszone). Im Bereich von 40 bis 100 Metern sind bauliche Anlagen mit Zustimmung des Fernstraßen-Bundesamtes grundsätzlich genehmigungsfähig. In diesem Verfahren prüft das Fernstraßen-Bundesamt, ob die Anlagen mit der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs, den Ausbauabsichten und der Straßenbaugestaltung vereinbar sind.“

Damit bedarf es – abhängig vom Abstand der PV-Anlage zur Autobahn – stets einer Einzelfallprüfung durch das Fernstraßen-Bundesamt. Im Bereich von 40 bis 100 Metern geht der Gesetzgeber davon aus, dass PV-Anlagen hier grundsätzlich genehmigungsfähig sind. D.h. die Zustimmung darf vom Fernstraßen-Bundesamt nur in begründeten Ausnahmefällen verweigert werden.

Für die Anbauverbotszone bis 40 Meter längs der Autobahn wird man ähnliches annehmen können. Denn der Gesetzgeber hat mit den Neuerungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz zum Januar 2023 festgelegt, dass die Errichtung und der Betrieb von Erneuerbaren-Energien-Anlagen „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegen und sie der öffentlichen Sicherheit dienen (§ 2 S. 1 EEG). Sie sollen daher bis zum Erreichen der Klimaneutralität „als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden“ (§ 2 S. 2 EEG). Ausgehend von dieser gesetzgeberischen Intention nimmt auch das Fernstraßen-Bundesamt in seiner „Handreichung Photovoltaikanlagen nach EEG innerhalb der Anbauverbotszone“ vom 31.01.2023 an, dass die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen straßenrechtlich regelmäßig möglich ist. Damit dürfte das Fernstraßenrecht nur in engen Ausnahmefällen der Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen entgegenstehen.

IV.     Bewertung und Ausblick

Mit den Neuregelungen in § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b) BauGB und § 2 EEG hat der Gesetzgeber für die Freiflächenphotovoltaik die Voraussetzungen geschaffen, dass sich diese entlang von Autobahnen und bestimmten Schienenwegen standardmäßig ansiedeln können. Die Regelungen drehen insoweit auch das bisherige Regel-Ausnahmeverhältnis des § 9 FStrG und wenden dieses zugunsten von Freiflächen-PV-Anlagen. Es ist jedoch bereits jetzt absehbar, dass zukünftig mit Auseinandersetzungen zwischen Kommunen und Vorhabenträgern auf der einen Seite und dem Fernstraßen-Bundesamt und der Autobahn GmbH des Bundes bei den Einzelgenehmigungen zu erwarten sind. Dabei bestehen gute Aussichten, dass sich die PV-Anlagen regelmäßig gegenüber den Belangen des Fernstraßengesetzes durchsetzen werden.

 

Würzburg, 21.04.2023

gez. Dr. Eric Weiser-Saulin/Rechtsanwalt