Der Beitrag vermittelt zunächst einen Überblick über die Regelungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Er zeigt zudem auf, was mit dem neuen Gesetz auf Unternehmen zukommt und welche Chancen es Betroffenen vermittelt.

Am 11. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ – das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – verabschiedet (BGBI. 2021, Teil I, S. 2959 ff.). In Kraft treten wird es am 1. Januar 2023.

Das Gesetz verpflichtet Unternehmen mit einem Sitz oder einer Zweigniederlassung in Deutschland, die mindestens 3.000 Arbeitnehmende in Deutschland beschäftigen. Dies betrifft ca. 900 Unternehmen. Ab 2024 werden bereits Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmer:innen erfasst, worunter ca. 4.800 Unternehmen fallen werden. Diese Unternehmen sind gesetzlich angehalten ihrer Verantwortung in ihren globalen Wertschöpfungsketten insoweit besser nachzukommen, als dass sie sorgfältig mit konkret genannten menschen- und arbeitsrechtlichen, sowie umweltbezogenen Risiken umgehen.

Das Gesetz bezweckt dabei – neben der Stärkung der Rechte derjenigen, die von Unternehmensaktivitäten betroffen sind – auch, für einen fairen Wettbewerb unter den Unternehmen zu sorgen. Etwa angemessene Löhne zu zahlen, soll künftig keinen Wettbewerbsnachteil mehr darstellen.

Die Risiken, welchen das Gesetz zu begegnen versucht:

Bei den Risiken, denen das Gesetz präventiv begegnen will, handelt es sich um 12 menschenrechtliche und 3 umweltbezogene Risiken, die von unternehmerischem Handeln ausgehen können. Etwa drohende Verstöße gegen das Verbot der Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Sklaverei oder Verletzungen der Koalitionsfreiheit, des Anspruchs auf Erhalt eines angemessenen Lohns und des Gleichbehandlungsgebotes werden erfasst. Ebenso erfasst sind die Herbeiführung schädlicher Umwelteinwirkungen, wenn hierdurch Menschen beeinträchtigt werden oder der Entzug von Land, Wäldern und Gewässern, die der Lebensgrundlage von Menschen dienen sowie der Einsatz von Quecksilber, persistenten organischen Schadstoffen und die Ein- und Ausfuhr gefährlicher Abfälle. Solchen Verstößen haben die betroffenen Unternehmen vorzubeugen.

Im internationalen Vergleich ist das deutsche Gesetz damit sehr detailliert gefasst. Der Gesetzgeber lässt sich gar auf zwei Seiten zu den Definitionen der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken aus (§ 2 Abs. 2 und 3 LkSG). Freilich sind viele Begriffe dennoch sehr weit gefasst und bedürfen der Auslegung, was juristischen Beistand empfehlenswert macht. Dies auch, weil die angesprochenen Definitionen auf völkerrechtliche Abkommen Bezug nehmen, wie bspw. die beiden Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen sowie Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Bei der Auslegung der im LkSG verwandten Begriffe können daher auch die völkerrechtlichen Übereinkommen selbst sowie die Spruchpraxis zu diesen (bspw. des UN-Menschenrechtsausschusses) bei der Auslegung einbezogen werden (Grabosch/Schönfelder, Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: neue Pflichten zur Vermeidung menschen- und umweltrechtlicher Risiken weltweit, AuR 12/2021, 488, S. 490). Als ein auslegungsbedürftiges Beispiel sei der Auffangtatbestand aus § 2 Abs. 2 Nr. 12 LkSG genannt, wonach Unternehmen auch weiteres Verhalten zu unterlassen haben, das geeignet ist in besonders schwerwiegender Weise eine geschützte Rechtsposition zu beeinträchtigen, wenn dessen Rechtswidrigkeit bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

Die Sorgfaltspflichten, die Unternehmen jetzt treffen:

Der Gesetzgeber hat versucht die Umsetzung den Unternehmen zu erleichtern, indem nicht einfach menschenrechtliche und umweltbezogene Standards aufgezählt werden, die einzuhalten sind, sondern durch Einkleidung der Standards in eine Risikodefinition. Dies soll es Unternehmen ermöglichen, ihren Sorgfaltspflichten in Lieferketten leichter nachzukommen, weil sie diese in schon bestehende Risikomanagementsysteme integrieren können (Grabosch/Schönfelder, a.a.O. S. 490).

Das LkSG verpflichtet Unternehmen nämlich in den §§ 3 – 10, ihrer menschenrechtlichen und umweltbezogenen Verantwortung besser nachzukommen, indem sie folgende Maßnahmen zu ergreifen haben:

  • Ein Risikomanagement einrichten und eine Risikoanalyse durchführen.
  • Eine Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie verabschieden.
  • Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern verankern.
  • Bei festgestellten Rechtsverstößen Abhilfemaßnahmen sofort ergreifen.
  • Ein Beschwerdeverfahren im Falle von Rechtsverstößen einrichten.
  • Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten dokumentieren und berichten.

Hinzuweisen ist darauf, dass diesen Sorgfaltspflichten in „angemessener Weise“ nachzukommen ist. Was wiederum angemessen ist, wird mithilfe von vier in § 3 Abs. 2 LkSG aufgelisteten Kriterien umrissen. Die angemessene Weise bestimmt sich demnach nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher, der zu erwartenden Schwere der Verletzung und der Art des Verursachungsbeitrags. Freilich ist auch hier für die sachgerechte Bewertung die Herbeiziehung juristischen Rats anzuraten.

Diesen Pflichten haben Unternehmen in ihrer gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette nachzukommen. Dies umfasst gemäß § 2 Abs. 5 LkSG alle Schritte, die zur Herstellung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen erforderlich sind – von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an die Endkunden. Mithin sind die Sorgfaltspflichten nicht auf das Handeln im eigenen Geschäftsbereich beschränkt, sondern erfassen auch das Handeln von unmittelbaren und gar mittelbaren Zulieferern. Indes sind die Pflichten „abgestuft“ in dem Sinne, dass je weiter das Handeln vom eigenen Geschäftsbereich entfernt ist, desto geringer die Pflichten ausfallen.

Etwa müssen in den eigenen Geschäftsbereichen und bei unmittelbaren Zulieferern Abhilfemaßnahmen jedenfalls in der Regel dazu führen, dass die Verletzung einer menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Pflicht eingestellt wird (§ 7 Abs. 1 LkSG), während es hinsichtlich der mittelbaren Zulieferer ausreicht, ein Konzept zur Beendigung oder Minimierung von Verletzungen zu erstellen und umzusetzen (§ 9 Abs. 3 Nr. 3 LkSG) – um nur eine Pflicht herauszugreifen. Alle Pflichten in allen Abstufungen darzustellen, kann dieser Beitrag nicht leisten. Gerne aber beraten wir Sie.

Die behördlichen Kompetenzen, die die Einhaltung kontrollieren und durchsetzen:

Der deutsche Gesetzgeber hat es bei dem LkSG nicht bei einer Aufzählung von Sorgfaltspflichten belassen, sondern er stattet zugleich auch eine staatliche Behörde mit Kompetenzen für eine effektive Durchsetzung des Gesetzes aus. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) errichtet soeben eine neue Außenstelle, die einzig mit der Durchsetzung und Kontrolle des LkSG beauftragt ist. Diese Außenstelle sitzt in Borna – ganz nah also an unserem Leipziger Standort.

Das BAFA darf zur Durchsetzung des LkSG bspw. Personen laden, Unternehmen betreten und Unterlagen und Auskünfte (heraus-)verlangen. Dabei wird es von sich aus tätig oder auf Antrag einer Person, die geltend machen kann, aufgrund einer unternehmerischen Sorgfaltspflichtverletzung in ihren Rechten verletzt oder bedroht zu sein.

Unternehmen, die gegen die im LkSG geregelten Sorgfaltspflichten verstoßen, handeln ordnungswidrig. Ihnen drohen Bußgelder. Die Höhe des Bußgeldes hat sich dabei an der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit zu orientieren, d.h. etwa an ihrem Gewicht und Ausmaß, ebenso aber auch am Gesamtumsatz des Unternehmens (§ 24 Abs. 4 LkSG).

Die Position Betroffener

Wie bereits angesprochen, können betroffene Menschen ein Tätigwerden (im Sinne von behördlichen Ermittlungen und ggf. Aufsichtsmaßnahmen) beim BAFA beantragen. Kommt die Behörde einem solchen Antrag nicht nach, kann eine Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht erhoben werden.

Daneben sollen Betroffene sich auch beim Unternehmen, von dem die (drohende) Verletzung ihrer Rechte ausgeht, leichter Gehör verschaffen können: Nach § 8 Abs. 4 LkSG müssen Unternehmen verständliche Informationen zum innerbetrieblichen Beschwerdemechanismus bereitstellen, welches es Betroffenen erleichtern soll, auf die Verletzung ihrer Rechte beim verpflichteten Unternehmen hinzuweisen.

Was die Einklagbarkeit der Rechte Betroffener gegenüber den Unternehmen anbelangt, so schiebt das LkSG insoweit einen Riegel vor, als dass es in § 3 Abs. 3 ausdrücklich klarstellt, dass eine Verletzung einer Lieferkettensorgfaltspflicht keine zivilrechtliche Haftung begründet. Betroffene sind demnach auf ihre (eher schwachen) Rechtsbehelfe vor den Zivilgerichten nach Deliktsrecht verwiesen.

Hingegen sieht der Vorschlag der EU-Kommission für ein europäisches Lieferkettengesetz eine eigene zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vor. Der Richtlinien-Vorschlag der Europäischen Kommission vom 23. Februar 2022 ist in englischer Sprache abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52022PC0071. An dieser Stelle sei auch auf die in diesem Entwurf vorgesehene Klimapflicht hingewiesen: Nach Artikel 15 muss das unternehmerische Geschäftsmodell vereinbar sein mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris. Wann und in welcher Endfassung diese europäische Richtlinie verabschiedet wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.

Wir beraten Sie gerne

Sie benötigen Unterstützung, die Ihnen nach dem LkSG auferlegten menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Sorgfaltspflichten zu beachten? Oder suchen Sie Rechtsbeistand als Betroffene:r? Wir beraten Sie gerne.

 

Leipzig, 17.06.2022

gez. Rechtsanwältin Anna Maurer