Fließende Gewässer wie Flüsse, Bäche oder auch Gräben sind sich dynamisch entwickelnde Bestandteile der Natur. Durch Extremwetterereignisse wie Starkregen- und Hochwasserereignisse oder auch bei normalen Abflüssen verändern sich die Gewässer ständig. Aus dieser dynamischen Entwicklung können Uferabbrüche, umgestürzte Bäume oder die Verlagerung des Gewässerbettes resultieren und Schäden an Grundstücken entstehen, so dass sich häufig die Frage stellt, welche Pflichten sich zur Unterhaltung und zum Ausbau der Gewässer ergeben und für wen.
Grundsätzlich legt das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) fest, was Inhalt und Pflichten im Rahmen der Unterhaltung und des Ausbaus sind. Zur Unterhaltung gehört dabei u.a. die Erhaltung des Gewässerbettes und der Ufer sowie die Erhaltung des Gewässers in einem Zustand, der hinsichtlich der Abführung oder Rückhaltung von Wasser, Geschiebe, Schwebstoffen und Eis den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen entspricht (§ 39 Abs. 1 WHG). Ein Gewässerausbau ist hingegen die Herstellung, Beseitigung oder die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (§ 67 Abs. 2 WHG). Gewässerausbauten können demnach bspw. die Herstellung eines Teiches oder eines Regenrückhaltebeckens sein, aber auch die Herstellung eines Strandabschnitts an einem See. Auch Ufersicherungsmaßnahmen können einen Gewässerausbau darstellen.
Mitunter ist die Abgrenzung zwischen Unterhaltung und Ausbau in der Praxis auch anhand der gesetzlichen Vorschriften schwierig. Handelt es sich z.B. bei einer Steinschüttung eines Ufers zur Uferbefestigung um eine Maßnahme der Unterhaltung oder des Ausbaus? Ist die Vertiefung des Gewässerbettes zur schadlosen Abführung des Hochwassers noch Unterhaltung oder schon ein Ausbau? Diese Fragen und die Unterscheidung sind in der Praxis von entscheidender Bedeutung, denn für die Unterhaltung und den Ausbau sind verschiedene Behörden oder Unterhaltungsverbände, Kommunen oder Eigentümer zuständig und ggf. verpflichtet. Die Frage, wer zur Vornahme einer Handlung am Gewässer überhaupt befugt und verpflichtet ist oder im Falle eines Schadenseintritts wegen Pflichtverletzung zu Schadensersatz- oder Abhilfe heranzuziehen ist, wird somit durch das Verhältnis zwischen Unterhaltung und Ausbau entschieden.
Während die Unterhaltung in der Regel keiner Genehmigung nach wasserrechtlichen Vorschriften bedarf, muss für den Gewässerausbau ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren und ggf. auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden (§ 68 Abs. 1 WHG). Zu dem Spannungsverhältnis zwischen Unterhaltung und Ausbau kommt der Umstand, dass beide den Bewirtschaftungszielen entsprechen müssen, damit der ökologische und chemische Zustand der Gewässer weder verschlechtert noch die Zielerreichung verhindert werden darf (§§ 27, 28 WHG). Somit sind die ökologischen Belange und die Belange der Anlieger miteinander in Einklang zu bringen. Ein im Gewässer liegender Baum wäre zwar unter ökologischen Gesichtspunkten vorteilhaft, kann aber ggf. auch den ordnungsgemäßen Wasserabfluss stören. Kurzum, die Abgrenzung der Maßnahmen und die Bestimmung ihrer Zielrichtung sind in der Praxis schwierig und werfen Fragen auf.
In der Rechtsprechung und Literatur wird die Frage nach der Unterscheidung mit Blick auf den Einzelfall, den bisherigen Zustand der Gewässer und die Intensität sowie die Motivation der Maßnahmen getroffen als auch unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Auswirkungen getroffen. Als Unterhaltung wurden in der Vergangenheit bspw. das Belassen von Totholz im Gewässer (VGH Mannheim, Urteil vom 04.07.2013 – 3 S 2182/11) oder die Beseitigung von Abflusshindernissen wie Ästen angesehen (BGH, Urteil vom 27. Mai 1974 – III ZR 194/71 –), wobei eine einheitliche Beurteilung aufgrund der Berücksichtigung des Einzelfalls nicht festzustellen ist, wie die sich vermeintlich wiedersprechenden Beispiele der Unterhaltung zeigen. Als Ausbaumaßnahmen wurden bspw. die Verlegung eines Baches (VGH Kassel, Urteil vom 12. Dezember 1983 – VIII OE 24/82 –), die Errichtung einer Böschungssicherung (OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. August 2011 – 13 LA 23/10 –) oder Ufersteinschüttungen angesehen (LG Aachen, Urteil vom 22. März 1989 – 4 O 446/83 –).
In der Rechtsprechung ist hingegen einhellig anerkannt, dass die wasserrechtliche Unterhaltungspflicht nicht in Erfüllung einer einem Dritten gegenüber bestehenden Rechtspflicht, sondern in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe des Trägers der Unterhaltungslast geschieht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1973 – IV C 50.71 –, BVerwGE 44, 235-244; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 26. Juni 2007 – 22 ZB 07.214 –; VG Hannover, Urteil vom 09. Juli 2014 – 4 A 4403/11 –; VG Lüneburg, Urteil vom 26. Mai 2004 – 3 A 43/04 –). Lediglich in Fällen, in denen die Verletzung der Unterhaltungspflicht zu einem Eingriff in das Eigentum Dritter führt, kann dem Einzelnen ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch zustehen. Das Gleiche gilt für die Gewässerausbaupflicht, die nur gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen ist und nur in Ausnahmefällen Rechtsansprüche Einzelner begründen kann. Ein Anlieger oder auch nur Interessierter wird daher in der Regel keinen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme haben.
Zudem kennen die Pflichten im Rahmen der Unterhaltung und des Ausbaus auch Grenzen. Die Unterhaltungspflicht bspw. dient wasserwirtschaftlichen Belangen und der Erfüllung wasserwirtschaftlicher Anforderungen. Sie ist ihrem Umfang nach nicht als umfassende Verantwortung für einen in jeder Hinsicht gefahrlosen Zustand des Gewässers einschließlich seiner Ufer ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1982 – 4 C 4.80 -, ZfW 1983, 107 (109); OVG NRW, B. v. 9.6.2011 – 20 B 151/11 – ZfW 2012, 46; VG Hannover, Urteil vom 09. Juli 2014 – 4 A 4403/11 –). Gefordert ist dabei bspw. nicht das Optimum an einem Abfluss des Wassers, vor allem nicht des Hochwasserabflusses. Zudem ist der Unterhaltungsverpflichtete auch nicht zu jedweden Maßnahmen verpflichtet, um Schädigungen von Anliegern zu vermeiden (OLG Düsseldorf Urt. v. 14.1.2005 – 22 U 65/04).
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Leipzig, 12.04.2022
gez. Justus Wulff, LL.M.