Der von der Gemeinde Schönau am Königssee im April 2021 erlassene Bebauungsplans zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 19 „Seestraße“ wurde von den Umweltverbänden Bund Naturschutz in Bayern e.V. und Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V., vertreten durch die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB (Würzburg, Leipzig, Hannover), mit einem Normenkontrollantrag vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angegriffen. Dies stößt auf heftige Kritik einiger Mitglieder des Gemeinderats der Gemeinde Schönau am Königssee.

In einem Artikel im Berchtesgadener Anzeiger mit der Überschrift „Heftige Kritik im Gemeinderat Schönau am Königssee: „Mit Un- und Halbwahrheiten werden Spendengelder erschlichen““ vom 28.01.2022 wird die in der öffentlichen Gemeinderatssitzung der Gemeinde Schönau am Königssee vom 25.01.2022 geäußerte massive Kritik einiger Gemeinderatsmitglieder bezüglich des Spendenaufrufs von BN und LBV zur Finanzierung der Klage gegen das Hotelprojekt Königssee wiedergegeben.

Behauptet wird seitens einiger Gemeinderatsmitglieder, mit dem öffentlichen Spendenaufruf zur Unterstützung der Normenkontrollklage zum Hotelprojekt Königssee seien

  • viele Un- und Halbwahrheiten verbreitet worden,
  • seitens der Kläger falsche Behauptungen aufgestellt worden,
  • mit Un- und Halbwahrheiten Spendengelder erschlichen worden.

Zudem fielen im Zusammenhang mit dem Spendenaufruf die Worte „Spendenbetrug“, „Bettlerbrief“ und „Nebelkerzen“.

Diese Kritik wird von den Umweltverbänden zurückgewiesen. Tatsächlich enthält der öffentliche Spendenaufruf des Bund Naturschutz in Bayern e.V. und des Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. folgende Äußerungen:

 

„Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. haben sich daher entschlossen, einen Normenkontrollantrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen, nachdem der bayerische Landtag die von vielen Bürgern unterzeichnete Petition abgewiesen hatte. Diese Klage richtet sich u.a. gegen

–        die Schaffung einer Übernachtungskapazität von zusätzlich 660 Betten an einem touristisch ohnehin überbeanspruchten Ort, ohne nachgewiesenen Bedarf,

–        die massive Bauweise u.a. des Haupthauses mit einer Höhe von über 20 Metern und einer Breite von ca. 100 Metern, die das traditionelle denkmalgeschützte Ortsbild und die umgebende Landschaft für die nächsten Jahrzehnte nachteilig prägt,

–        die Bebauung in einem faktischen Überschwemmungsgebiet, wobei die Hochwasserproblematik im Bebauungsplan nicht gelöst wird,

–        die großflächige Bodenversiegelung, welche die Hochwassergefahr verstärkt sowie die alternativlos geplante Verlegung und Verrohrung des Pletzgrabens.“

Keine der Äußerungen ist eine Falschbehauptung. Mit dem anhängigen Normenkontrollantrag wenden sich die beiden Naturschutzverbände gegen den öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplan, 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 19 „Seestraße“, mit welchem die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für das Hotelprojekt Königssee geschaffen werden sollten. In den textlichen Festsetzungen dieses Bebauungsplans wird die höchstzulässige Zimmeranzahl für die einzelnen Haustypen festgelegt. Hieraus ergibt sich eine maximale Zimmeranzahl von 325. Den Unterlagen der Gemeinde zur Bauleitplanung lässt sich entnehmen, dass im Falle der Errichtung von 325 Zimmern insgesamt 660 Betten geschaffen werden können. Diesen Umfang lässt der von der Gemeinde erlassene Angebotsbebauungsplan zu. Das bedeutet, dass ein Vorhabenträger zwar durchaus unter diesen Maximalvorgaben bleiben kann, aber nicht muss. Es mag sein, dass die Investoren letztendlich lediglich 256 Zimmer und dementsprechend weniger Betten errichten werden. Dies bleibt der konkreten Beantragung in einem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten, was aber nicht Gegenstand des anhängigen Normenkontrollantrags ist. Fakt ist, dass es der angegriffene Bebauungsplan zulassen würde, 325 Zimmer mit 660 Betten zu errichten. Sollten daher die jetzt vorhandenen Investoren ihre derzeitige Planung – soweit diese überhaupt schon konkret vorhanden ist – ändern oder aber ganz von dem Projekt abspringen, wäre es auf Grundlage des erlassenen Bebauungsplans zulässig, dass die jetzigen Vorhabenträger oder aber ein gänzlich anderer Investor ein Hotelprojekt mit 325 Zimmern und 660 Betten verwirklichen. Die Behauptung in dem Spendenaufruf, dass mit dem Bebauungsplan eine Übernachtungskapazität von zusätzlich 660 Betten an einem touristisch ohnehin überbeanspruchten Ort, ohne nachgewiesenen Bedarf, geschaffen werde, entspricht daher vollständig den Tatsachen. Hätte sich die Gemeinde Schönau am Königssee auf die jetzt geplanten 256 Zimmern mit maximal 556 Betten beschränken wollen, hätte sie dies auch entsprechend in dem Bebauungsplan festsetzen müssen.

Soweit in dem Spendenaufruf auf die massive Bauweise, unter anderem des Haupthauses mit einer Höhe von über 20 m hingewiesen wird, entspricht auch dies den Festsetzungen im Bebauungsplan. So ergibt sich aus den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen für den Haustyp 1 (Hauptgebäude) eine maximale Wandhöhe von 19,90 m. Hierbei handelt es sich nicht um die Gesamthöhe des Gebäudes, sondern lediglich um die Wandhöhe. D. h., dass der Bebauungsplan zusätzlich ein Satteldach mit einer Dachneigung von 24-27° zulässt, welches bei der Berechnung der Wandhöhe von 19,90 m nicht berücksichtigt wird. Die Gesamthöhe des Gebäudes liegt daher über 20 m. Diese 20 m erstrecken sich auf eine Gebäudelänge von ca. 100 m.

Die Äußerung, dass der Bebauungsplan eine massive Bauweise vorsieht, welche das traditionelle denkmalgeschützte Ortsbild und die umgebende Landschaft für die nächsten Jahrzehnte nachteilig prägen könne, ist ebenso wahrheitsgemäß und ergibt sich zudem aus den Unterlagen der Gemeinde zum Bauleitplanverfahren. Das heute vorhandene Erscheinungsbild im Plangebiet ist geprägt durch eine kleinteilige Bebauung im traditionellen Baustil. Die mit dem Bebauungsplan zugelassenen Vorhaben würden diese Struktur und damit das Orts- und Landschaftsbild erheblich verändern. Die Verwirklichung des Bebauungsplans bedeutet letztendlich eine Abkehr von der kleinteiligen Struktur hin zu massiven Baukörpern. Kritik wurde deshalb in dem Bauleitplanverfahren u.a. von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen vorgebracht, welche infolge der geplanten Bauvolumen von einer deutlichen städtebaulichen Verdichtung spricht. In der Abwägung hat sich der Gemeinderat mit dieser Kritik in der Sitzung vom 06.04.2021 auseinandergesetzt und ausgeführt, dass der Gemeinde durchaus bewusst sei, dass sich das Vorhaben auf das Orts- und Landschaftsbild in dem Bereich prägend auswirke. Das Gestaltungskonzept stelle einen Kompromiss zwischen städtebaulichen Belangen und der notwendigen Wirtschaftlichkeit der Vorhaben dar. Auch die Regierung von Oberbayern hat in dem vorgelagerten Raumordnungsverfahren auf den im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigenden Grundsatz des Regionalplans Südostoberbayern hingewiesen, wonach die Siedlungstätigkeit in der Region an der charakteristischen Siedlungsstruktur und der baulichen Tradition ausgerichtet sein soll.

Der Wahrheit entspricht auch die Behauptung, dass die Hochwasserproblematik in dem Bebauungsplan nicht gelöst wurde. Ein wesentlicher Kritikpunkt in dem Normenkontrollantrag ist der von den Klägern angenommene Verstoß gegen das Konfliktbewältigungsgebot. Dieses besagt, dass ein absehbarer Konflikt, welcher durch den Bebauungsplan hervorgerufen wird, nicht ohne weiteres auf ein nachgelagertes Verfahren verlagert werden darf. Im Rahmen der Bauleitplanung ist zumindest hinreichend zu untersuchen, ob und inwieweit der Konflikt auf einer anderen Verfahrensebene gelöst werden kann. Diese Art der Konfliktlösung sieht der Bebauungsplan aber gerade nicht vor. Vielmehr wurden im Bebauungsplan Festsetzungen getroffen, ohne das parallel laufende Planfeststellungsverfahren bezüglich des Ausbaus und der Verrohrung des Pletzgrabens abzuwarten. Es ist nicht auszuschließen, dass das im Planfeststellungsverfahren beantragte Vorhaben so nicht genehmigungsfähig ist und dessen Realisierung letztendlich mit den Festsetzungen im Bebauungsplan im Konflikt steht. Gerade angesichts des letztjährigen massiven Hochwassers, auch im Bereich des Plangebiets, halten die beiden Umweltverbände die Hochwasserproblematik für enorm wichtig und klärungsbedürftig.

Außerdem wird seitens der Gemeinderatsmitglieder die Äußerung im Spendenaufruf bezüglich der alternativlos geplanten Verlegung und Verrohrung des Pletzgrabens kritisiert. Insoweit wird von Herrn Bürgermeister Rasp behauptet, bezüglich des Pletzgrabens seien insgesamt sogar vier Varianten geprüft worden. Für diese Behauptung ließ sich in den umfangreichen Planaufstellungsakten, welche seitens der Gemeinde im Rahmen des anhängigen Normenkontrollverfahrens dem Gericht übergeben wurden, kein Beleg finden.

Der in dem Spendenaufruf enthaltene und ebenfalls kritisierte Hinweis, etwaige für die Normenkontrollklage nicht mehr benötigte Mittel werden zwischen den beiden Naturschutzverbänden aufgeteilt und satzungsgemäß verwendet, ist nicht zu beanstanden. Zum einen ist nicht zu erwarten, dass überhaupt Mittel übrig bleiben werden. Sollte dies aber doch der Fall sein, wird gegenüber den Spendern ganz offen und ehrlich kommuniziert, wie in diesem Fall mit den Spendengeldern umgegangen wird.

Letztlich sind alle Behauptungen und Äußerungen aus dem Spendenaufruf der Umweltverbände belegbar und wahrheitsgemäß. Der Vorwurf, man wolle sich durch Unwahrheiten Spendenmittel erschleichen, entbehrt jeder Grundlage und wird aufs Schärfste zurückgewiesen. Andererseits sind die von einigen Gemeinderäten geäußerten Behauptungen und Anschuldigungen in der öffentlichen Gemeinderatssitzung durchaus geeignet, den Bund Naturschutz in Bayern e.V. und den Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Möglicherweise will man damit der Finanzierung des der Gemeinde unliebsamen Normenkontrollverfahrens Steine in den Weg legen. An dieser Stelle sei aber betont, dass weder der Bund Naturschutz in Bayern e.V. noch der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. die angegriffene Planung der Gemeinde zu verantworten hat. Diese machen lediglich von ihrem gesetzlich eingeräumten Recht zur Überprüfung eines Bebauungsplans Gebrauch. Gerne würden die beiden Umweltverbände auf den Klageweg verzichten, sehen sich aber andererseits gemäß ihren Satzungen und dementsprechend ihrem öffentlichen Auftrag in der Pflicht, Projekte zu verhindern, wenn diese mit umweltbezogenen Belangen nicht vereinbar sind.

Weitere Informationen zum Vorgang sind auf der Internetseite des Bund Naturschutz in Bayern e.V., Kreisgruppe Berchtesgaden zu finden: berchtesgadener-land.bund-naturschutz.de/aktuelles

 

Würzburg, 31.01.2021

gez. RAin Anja Schilling
Fachanwältin für Verwaltungsrecht