Trotz anhaltender Corona Pandemie schreitet die Planung für Vorhaben des Netzausbaus voran. Während das öffentliche Leben in den vergangenen eineinhalb Jahren teilweise komplett still stand, haben die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur mithilfe des Planungsicherstellungsgesetzes (PlanSiG) die Energieleitungsvorhaben voranzutreiben versucht.

In einer Vielzahl von Fällen sind die Vorhabenträger aktuell damit beschäftigt, die Planungsunterlagen für das Planfeststellungsverfahren zusammenzustellen. Um an die benötigten Informationen zu kommen und zu prüfen, ob eine Trasse an dem mittlerweile konkretisierten Verlauf realisierbar ist, benötigen die Vorhabenträger Informationen über die betroffenen Grundstücke.

I. Grundsätze und aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Die grundsätzliche Berechtigung, Vermessungen, Boden-, Grundwasser- und andere Untersuchungen, sowie sonstige Vorarbeiten durchzuführen, folgt aus § 44 Abs. 1 EnWG. Entsprechende Maßnahmen müssen von den Eigentümern der Grundstücke (nur) geduldet werden, wenn sie notwendig sind, d.h. wenn sie „zur Ermittlung der Planungsgrundlagen erforderlich und verhältnismäßig sind“ (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2020, Az. 4 VR 1/20, juris Rn. 21).

Haben von solchen Maßnahmen Betroffene Zweifel an der Erforderlichkeit oder der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen, können Sie Ihr Einverständnis zur Nutzung der Grundstücke durch die Vorhabenträger verweigern. Die Vorhabenträger sind dann berechtigt, bei der zuständigen Behörde (regelmäßig die Bundesnetzagentur) eine Duldungsanordnung zu beantragen (§ 44 Abs. 1 S. 2 EnWG).

Die zuständige Behörde prüft in diesem Verfahren selbst, ob die Voraussetzungen für eine Duldungspflicht gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 EnWG) vorliegt. Bevor die Behörde eine Duldungsverfügung erlassen darf, muss sie die Betroffenen vorher anhören (BVerwG, Beschluss vom 17. August 2017, Az. 9 VR 2/17, juris Rn. 8). Grundstückseigentümer haben so nochmals die Möglichkeit, ihre Argumente auch gegenüber der Behörde vorzutragen.

Bei der Prüfung durch die Behörde ist zu beachten, dass eine Duldungsanordnung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG nicht die nach anderen Fachgesetzen für die Vornahme der Vorarbeiten erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse oder Bewilligungen ersetzt, d.h. keine sog. „Konzentrationswirkung“ entfaltet (BVerwG, Beschluss vom 04. Dezember 2020, Az. 4 VR 4/20, juris Rn. 29). Sind also beispielsweise Erlaubnisse des Wasserwirtschaftsamts oder Genehmigungen der unteren Naturschutzbehörde für die konkrete Maßnahme notwendig (zum Beispiel Bohrung im Wasserschutzgebiet o.ä.), müssen diese von den Vorhabenträgern bei der jeweiligen Fachbehörde angefordert werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Jahr 2020 in zwei Entscheidungen klargestellt, dass die für den Erlass der Duldungsverfügung zuständige Stelle fachrechtliche Einwendungen, die sich auf die erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse oder Bewilligungen beziehen, nur insoweit prüfen muss, als deren Erteilung nicht ausgeschlossen sein darf (BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2020, Az. 7 VR 4/20, juris Rn. 14; BVerwG, Beschluss vom 04. Dezember 2020, Az. 4 VR 4/20, juris Rn. 29):

„Die fachrechtliche Beurteilung der beabsichtigten Vorarbeiten ist nur insoweit von Bedeutung, als die Duldungsanordnung dann ins Leere geht und zur Erreichung ihres Zwecks ungeeignet ist, wenn bereits mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen ist, dass der Durchführung der Maßnahmen auf Dauer fachgesetzliche Hinderungsgründe entgegenstehen.“

Die genannte Rechtsprechung hat zur Folge, dass der weit überwiegende Teil der Einwendungen von Betroffenen, wie z.B. dauerhafte schädliche Bodenveränderungen landwirtschaftlicher Grundstücke, die Beeinträchtigung der kommunalen Trinkwasserversorgung oder naturschutzfachliche Einwendungen (Artenschutz, Habitatschutz) im Verfahren der Duldungsanordnung nicht geprüft wird, sondern auf das Verfahren bei den Fachbehörden verlagert wird.

II. Rechtsschutz

Rechtsschutz gegen Vorarbeiten der Planfeststellung steht den betroffenen Eigentümern, Landwirten und Gemeinden auf verschiedenen Ebenen zu.

Nach Eingang der Informationen der Vorhabenträger, dass bestimmte Maßnahmen auf dem Grundstück vorgesehen werden, können diese zunächst verweigert werden, wenn von Seiten der Betroffenen die Erforderlichkeit oder Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bezweifelt wird.

Die Folge einer solchen Verweigerung ist in der Regel der Antrag der Vorhabenträger an die zuständige Behörde, eine Duldungsanordnung zu erlassen. Wie bereits dargelegt haben Betroffene auch in diesem Verfahren die Möglichkeit, ihre Position zu verteidigen.

Aus den beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts von 2020 folgt allerdings deutlich, dass fachliche Kritikpunkte zusätzlich an die jeweils zuständige Wasser-, Bodenschutz- oder Naturschutzbehörde übermittelt werden sollten, um die Überprüfung dieser Belange zu erreichen und ggfs. die Duldungsverfügung noch abzuwehren. Denn während die für die Duldungsanordnung zuständige Stelle (regelmäßig die BNetzA) bezüglich des Fachrechts nur eine bloße Plausibilitätskontrolle durchführen muss, sind Naturschutzbehörden und Wasserwirtschaftsämter verpflichtet, die Einwände vollumfänglich ihrer Beurteilung der Maßnahme zugrunde zu legen. Die Bedeutung der Verfahren vor den Fachbehörden ist auf Grundlage der Entscheidungen des BVerwG damit erheblich gestiegen.

Selbst wenn die Duldungsanordnung vorliegt, dürfen die Maßnahmen von den Übertragungsnetzbetreibern nur dann durchgeführt werden, wenn die jeweils fachrechtlich erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse oder Bewilligungen vorliegen. Als Betroffener sollte man die Vorlage dieser Gestattungen gegenüber den durchführenden Unternehmen entweder vor Durchführung der Maßnahmen einfordern oder sich bei den jeweiligen Fachbehörden kundig machen, ob diese erteilt wurden.

Rechtsschutz gegen die behördlichen Entscheidungen besteht zum einen gegen die Duldungsanordnung selbst in Form der Klage beim Bundesverwaltungsgericht (für Vorhaben die im EnLAG oder BBPlG aufgeführt sind).  Er besteht aber insbesondere auch gegen die fachbehördlichen Genehmigungen, Erlaubnisse oder Bewilligungen bzw. kann auch in Form eines Antrags auf behördliches Einschreiten gegeben sein (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 04. Dezember 2020, Az. 4 VR 4/20, juris Rn. 30).

III. Beweissicherung und Entschädigung

Können die Maßnahmen nicht verhindert werden, stellt § 44 Abs. 3 EnWG sicher, dass Betroffene für etwaige Schäden bei der Ausführung der Vorarbeiten von den Vorhabenträgern entschädigt werden. In diesem Zusammenhang sei Betroffenen angeraten, zum einen vor der Durchführung der Maßnahmen gegenüber den Vorhabenträgern auf eine umfassende Beweissicherung des Grundstücks zu drängen. Zum anderen sollte eine eigene Dokumentation des Ist-Zustandes des Grundstückes (zum Beispiel mit Fotos) erfolgen, um später die möglicherweise eingetretenen Schäden leichter nachweisen zu können.

Bestehen darüber hinaus Zweifel, ob das ausführende Unternehmen über die erforderlichen Erlaubnisse, Genehmigungen oder Bewilligungen verfügt oder im Einklang mit diesen handelt (insbesondere mit deren Nebenbestimmungen), sollte die jeweils zuständige Fachbehörde unmittelbar herbeigerufen werden. Darüber hinaus können auch die Gemeinden in ihrer Funktion als Sicherheitsbehörde verständigt werden, wenn Gesetzesverstöße bei der Durchführung der Maßnahmen offenkundig sind.

Sie haben Fragen oder Beratungsbedarf im Bereich der Vorarbeiten für die Planfeststellung von Energieleitungsvorhaben? Wir stehen Ihnen mit unserer Erfahrung gerne als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung und unterstützen Sie, Ihren Rechten bestmöglich Geltung zu verschaffen.

Dr. Eric Weiser-Saulin/Rechtsanwalt