Mit Beschluss vom 15.06.2021 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass das geplante Wohnbauvorhaben auf dem Gelände des ehemaligen Beer`schen Keller vorerst nicht verwirklicht werden darf. Damit gab das Gericht einer Beschwerde von betroffenen Nachbarn statt, welche durch die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB (Würzburg, Leipzig, Hannover) anwaltlich vertreten werden.

Der Vorhabenträger plant auf dem genannten Gelände die Errichtung von insgesamt 16 Wohneinheiten. Der Bauausschuss der Stadt Würzburg hatte die Zustimmung für das Bauvorhaben in der Sitzung am 16.09.2020 mit knapper Mehrheit erteilt. Daraufhin wurde die Baugenehmigung für das  Wohnbauvorhaben mit Bescheid vom 04.11.2020 erteilt. Das Vorhaben weicht von den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans der Stadt Würzburg in großem Umfang ab. Insbesondere die Gebäudehöhe und die Anzahl der Geschossflächen wird durch die Baugenehmigung erheblich überschritten. Dementsprechend waren im Rahmen der Erteilung der Baugenehmigung insgesamt 6 Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans erforderlich.

Betroffene Nachbarn haben gegen die Baugenehmigung durch die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Klage vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg eingereicht. Um zu verhindern, dass sofort mit der Verwirklichung des Bauvorhabens begonnen werden kann, wurde für die Kläger zusätzlich ein Antrag auf Baustopp beim Verwaltungsgericht Würzburg gestellt. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat diesen Eilantrag mit Beschluss vom 01.03.2021 abgelehnt. Hiergegen haben die Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dieser Beschwerde hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nunmehr mit Beschluss vom 15.06.2021 stattgegeben.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sieht die Rechte der betroffenen Nachbarn durch die mit der Baugenehmigung erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans verletzt.

Hintergrund des Rechtsstreits ist der im Jahr 1989 geänderte und in Kraft getretene Bebauungsplan der Stadt Würzburg Nr. 10.8 „Winterleitenweg-Leistenstraße-Südseite (ehemaliger Beer`scher Keller) – Steinbachtal 22/86“. Zunächst sah der Bebauungsplan der Stadt Würzburg für das Vorhabengrundstück die Bebauung mit einem Kindergarten und mehreren Wohnhäusern vor. Im Jahr 1987 hat sich die Stadt aber dazu entschieden, den Bebauungsplan zu ändern. Auf dem nördlichen Teil des Grundstücks hat sich über die Jahre ein wertvolles Biotop entwickelt, welches nach dem Willen der Stadt Würzburg geschützt werden sollte. Dementsprechend sollte der Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück angepasst werden. Während für den nördlichen Teil des Grundstücks nunmehr eine Grundfläche vorgesehen war, sollte nur noch der südliche Teil des Grundstücks mit Wohnhäusern bebaut werden dürfen. Um wegen der Einschränkungen Schadenersatzansprüchen durch den Grundstückseigentümer zu entgehen, beabsichtigte die Stadt Würzburg auf dem südlichen Teil des Grundstücks eine intensive Bebauung zu gestatten. Dementsprechend wurden die Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung (Gebäudehohe, Anzahl der Geschossflächen, Baugrenzen) so festgelegt, dass diese gerade noch städtebaulich vertretbar und mit den nachbarlichen Belangen vereinbar sind. Nunmehr – mehr als 30 Jahre später – wurde jedoch auf dem Vorhabengrundstück eine Baugenehmigung erteilt, welche von diesen Festsetzungen des Bebauungsplans erheblich abweicht und das damals festgelegte Maximalmaß nochmals deutlich überschreitet.

Nach Auffassung des BayVGH entsprach es dem Willen der Stadt Würzburg beim Erlass des Bebauungsplans im Jahr 1989, die größtmögliche Bebaubarkeit auf dem Vorhabengrundstück auszuschöpfen und hierbei die Festsetzungen so festzulegen, dass die Zumutbarkeitsgrenze für die Nachbarschaft nicht überschritten wird. Hiermit sei ein nachbarliches Austauschverhältnis begründet worden, welches nun durch die Erteilung einer Baugenehmigung unter Überschreitung der damals festgelegten Grenzen im Bebauungsplan nicht einseitig außer Kraft gesetzt werden könne.

„Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist sehr erfreulich und aus juristischer Sicht bedeutsam, da das Gericht hier den Festsetzungen im Bebauungsplan zum Maß der baulichen Nutzung eine nachbarschützende Wirkung zugesprochen hat. Grundsätzlich sind die Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung nicht nachbarschützend. Es bleibt nun abzuwarten, welche Konsequenzen die Stadt Würzburg und der Vorhabenträger aus der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ziehen werden“, so RAin Anja Schilling/Fachanwältin für Verwaltungsrecht und Partnerin der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB.

 

Würzburg, den 22. Juni 2021

 

gez.: RAin Anja Schilling

Fachanwältin für Verwaltungsrecht