Landwirtschaftliche Betriebe im Außenbereich geraten durch baurechtliche Entwicklungen zunehmend unter Anpassungsdruck. Denn die steigende Nachfrage nach Wohnraum veranlasst Kommunen dazu, in ihrer Bauleitplanung verstärkt auch die bislang landwirtschaftlich geprägten Ortsränder im Außenbereich ins Visier zu nehmen. Diese Entwicklung kann für die dort ansässigen landwirtschaftlichen Betriebe und ihre Lagerhallen, Maschinen- oder Verarbeitungsanlagen erhebliche Folgen haben, etwa durch Nutzungskonflikte infolge von Lärm- und Geruchsemissionen.
Dieser Beitrag beleuchtet, welche rechtlichen Möglichkeiten landwirtschaftliche Betriebe gegen eine heranrückende Wohnbebauung und im Rahmen einer Bauleitplanung zur Verfügung stehen – und welche Rolle dabei die konkreten Entwicklungsperspektiven des Betriebs spielen.
I. Privilegierung auch für Nebenerwerbsbetriebe
Nach § 35 Absatz 1 Nr. 1 BauGB sind landwirtschaftliche Betriebe im Außenbereich privilegiert – auch dann, wenn sie im Nebenerwerb betrieben werden. Voraussetzung ist, dass es sich um einen auf Dauer angelegten und lebensfähigen Betrieb handelt, der durch eine spezifisch betriebliche Organisation und nachhaltige Bewirtschaftung geprägt ist. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 11.10.2012 – 4 C 9.11, Rn. 7; BVerwG, Urt. v. 16.12.2004 – 4 C 7.04; BVerwG, Urt. v. 27.01.1967 – 4 C 41.65 – BVerwGE 26, 121). Die Privilegierung schützt landwirtschaftliche Betriebe nicht nur im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit eigener Vorhaben im Außenbereich, sondern verleiht ihnen auch Abwehrrechte gegenüber planerischen Maßnahmen, die ihre Betriebsführung gefährden oder die betriebliche Entwicklung unzumutbar einschränken könnten.
II. Entwicklungsperspektiven: Konkretheit ist entscheidend
Geht es um die Sicherung von Entwicklungs- und Erweiterungsabsichten des Landwirtschaftsbetriebs ist jedoch zu beachten, dass nicht automatisch jede vom Landwirt geäußerte Zukunftsoption im Rahmen der Bauleitplanung abwägungserheblich ist. Nach § 1 Absatz 7 BauGB ist die Gemeinde bei der Aufstellung eines Bebauungsplans verpflichtet, alle abwägungserheblichen Belange zu ermitteln, zu bewerten und in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Zu diesen Belangen zählen gemäß § 1 Absatz 6 Nr. 8 lit. b) BauGB ausdrücklich auch die Belange der Landwirtschaft – einschließlich solcher Maßnahmen, die der betrieblichen Weiterentwicklung dienen, wie etwa die Erweiterung oder Modernisierung von Anlagen, die notwendig sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stellt in diesem Zusammenhang klar:
„Der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs kann im Rahmen der Bauleitplanung die Belange der Landwirtschaft geltend machen, zu denen auch die spezifischen Belange eines landwirtschaftlichen Betriebs hinsichtlich zu befürchtender Einschränkungen des Bestandes und seiner Entwicklungsmöglichkeiten durch eine heranrückende Wohnbebauung gehören“ (BayVGH, Beschl. v. 06.07.2022 – 9 NE 22.297, Rn. 15).
Dabei genügt es jedoch nicht, sich pauschal auf eine zukünftiges Betriebsausweitung zu berufen. Das Interesse an einer künftigen Betriebsausweitung kann nach der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Rahmen der Abwägungsentscheidung nur dann von Belang sein, wenn
„diese Entwicklung bereits konkret ins Auge gefasst worden ist oder bei realistischer Betrachtung der vom Landwirt aufzuzeigenden betrieblichen Entwicklungsmöglichkeiten naheliegt. Eine Erweiterungsabsicht kann nicht losgelöst vom vorhandenen Baubestand und der bestehenden Betriebsgröße beurteilt werden. Das Interesse, sich alle Entwicklungsmöglichkeiten offen zu halten ist ebenso wenig abwägungserheblich wie unklare oder unverbindliche Absichtserklärungen“ (BayVGH, Beschl. v. 06.07.2022 – 9 NE 22.297, Rn. 15)
Diese Linie bestätigt auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und hat entschieden, dass völlig unklare Erweiterungswünsche in ferner Zukunft nicht abwägungserheblich seien (VGH BW, Urt. v. 16.10.2018 – 8 S 2368/16, Rn. 46-47).
III. Beteiligung und Rechtsschutz – Handlungsmöglichkeiten für betroffene Landwirtschaftsbetriebe
Landwirte, deren Betriebe durch ein geplantes neues Wohngebiet betroffen sind, sollten ihre Interessen daher im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 BauGB frühzeitig geltend machen.
Wird später ein Bauantrag für konkrete Wohnnutzungen gestellt, und ist zu befürchten, dass es aufgrund von Gerüchen, Lärm oder sonstigen Emissionen des landwirtschaftlichen Betriebs zu Nutzungskonflikten kommt, sollten betroffene Landwirte auch die Gelegenheit der Nachbarbeteiligung nutzen, um sich aktiv in das Genehmigungsverfahren einzubringen und gegebenenfalls Abwehrrechte geltend zu machen. Eine frühzeitige Stellungnahme kann helfen, spätere Auseinandersetzungen im Rahmen einer Anfechtungsklage zu vermeiden oder rechtzeitig auf nachteilige Entwicklungen zu reagieren.
Bleibt die Gemeinde im Rahmen der Bauleitplanung die gebotene Abwägung schuldig, kommt zudem ein Normenkontrollantrag gemäß § 47 Absatz 1 VwGO in Betracht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Landwirt in eigenen Rechten betroffen ist – etwa durch eine konkrete Gefährdung seiner Nutzungsmöglichkeiten oder durch unzumutbare Einschränkungen seiner betrieblichen Entwicklungsperspektiven. Erfolg hat ein solcher Klageweg nur, wenn dargelegt werden kann, dass die Belange des Betriebs fehlerhaft behandelt oder gänzlich übergangen wurden.
IV. Fazit
Landwirtschaftliche Betriebe sollten eine heranrückende Wohnbebauung frühzeitig im Blick behalten, um späteren Nutzungskonflikten und betrieblichen Einschränkungen wirksam begegnen zu können. Wer als Landwirt betroffen ist, sollte rechtzeitig aktiv werden und die eigenen Erweiterungsabsichten dokumentieren. Nur so lassen sich die schutzwürdigen Interessen effektiv in das Planungsverfahren einbringen und werden langfristig gesichert.
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gez. RAin Ariadni von Fournier
Würzburg, den 30. Juni 2025