Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH München) hat mit Beschluss vom 30.07.2024 (Az. 15 NE 24.762) einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für ein großflächiges Fachmarktzentrum außer Vollzug gesetzt. Grund waren gravierende Verstöße gegen die Anstoßfunktion und die Anforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB.

Bedeutung der Anstoßfunktion: Bürger aktiv einbinden
Die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB bezweckt eine „Anstoßfunktion“. Sie soll interessierten Bürgern durch klare Informationen ermöglichen, sich aktiv an der Planung zu beteiligen. Die Anstoßfunktion soll die Bürger dazu ermuntern, ihre Interessen einzubringen. Der VGH München betonte, dass Zweck der im Baugesetzbuch geregelten Anstoßfunktion sei, die „Qualität und Umsetzung von Entscheidungen“ zu verbessern und das „Bewusstsein der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten“ zu stärken (vgl. Rz. 33).

Im vorliegenden Fall enthielt die Bekanntmachung der Gemeinde jedoch mehrfach lediglich pauschale Bewertungen wie „keine Konflikte zu erwarten“, was suggerierte, dass die Umweltbelange abschließend geprüft seien. Solche Aussagen würden die Bürger entmutigen, ihre Interessen und Bedenken einzubringen, sich weitergehend zu informieren oder Eiwendungen vorzubringen, so der VGH München. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.07.2013 – 4 CN 3.12, Leitsatz u. Rz. 14 ff.) sind Gemeinden dazu verpflichtet, die in den vorhandenen Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Dies gelte auch für solche Informationen, die die Gemeinde als unwesentlich erachtet. Dabei dürfe im Rahmen von § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB anders als bei Satz 1 BauGB keine Selektion oder Bewertung der Umweltinformationen durch die Gemeinden erfolgen.

Fehlende Auslegung wesentlicher Stellungnahmen
Ein weiterer Fehler lag in der fehlenden Auslegung wesentlicher umweltbezogener Stellungnahmen, beispielsweise von Behörden und anerkannten Naturschutzverbänden. Die Gemeinde versäumte es, zwischen den Vorgaben aus §3  Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 BauGB zu differenzieren: Satz 1 betrifft die Auslegung der nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen umweltbezogenen Stellungnahmen, während Satz 4 zusätzlich Angaben dazu verlangt, welche Arten umweltbezogener Informationen überhaupt verfügbar sind. Statt diese Differenzierung zu wahren, deklarierte die Gemeinde alle Stellungnahmen pauschal als wesentlich, legte sie jedoch nicht vollständig aus. Dies verstieß klar gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB.

Antragsbefugnis ohne Grundeigentum im Plangebiet
Der VGH München prüfte auch die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1 und ihres Lebensgefährten, des Antragstellers zu 2. Die Antragstellerin zu 1 war Eigentümerin eines an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks, nicht jedoch eines im Plangebiet selbst. Eine unmittelbare Rechtsverletzung durch die Festsetzungen des Bebauungsplans, wie sie Eigentümern im Plangebiet möglich wäre, konnte sie daher nicht geltend machen. Stattdessen berief sie sich jedoch erfolgreich auf ihr subjektives Recht auf gerechte Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB, da ihre Belange, insbesondere der Lärmschutz, nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

Bemerkenswert ist die Anerkennung der Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2, der weder Eigentümer noch Mieter war, jedoch als Bewohner und Mitnutzer des angrenzenden Grundstücks seiner Lebensgefährtin als betroffen anerkannt wurde. Der VGH München stellte klar, dass seine Interessen schutzwürdig sind, da gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB auch die Belange der „Wohnbevölkerung“ abwägungserheblich und daher bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen seien.

Fazit
Der Beschluss des VGH München zeigt, wie wichtig es für Gemeinden ist, den rechtlichen Anforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung nachzukommen. Die Anstoßfunktion dient nicht nur der Transparenz, sondern ist ein zentraler Pfeiler demokratischer Mitbestimmung in Planungsverfahren. Gemeinden müssen sorgfältig darauf achten, Umweltinformationen klar und umfassend bereitzustellen, um die Beteiligung der Öffentlichkeit zu fördern und Planungsfehler zu vermeiden.
Für betroffene Bürger ist es essenziell, solche Verfahrensfehler frühzeitig zu erkennen und rechtlich geltend zu machen.

Unsere Kanzlei steht Ihnen sowohl als Gemeinde beratend zur Seite, um rechtssichere Bauleitverfahren zu gewährleisten, als auch als Privatperson, um Ihre Rechte gegenüber fehlerhaften Planungen erfolgreich durchzusetzen.

Würzburg, den 15.01.2025
RAin Ariadni v. Fournier