In vielen Städten und Gemeinden sind Flächen knapp. Der Ausbau erneuerbarer Energien stellt die Kommunen daher vor die Herausforderung, einerseits Energie- und Klimaziele zu verfolgen und andererseits flächenschonend zu planen. Eine Möglichkeit, Erneuerbare-Energien-Anlagen platzsparend zu realisieren, besteht in der Doppelnutzung von Flächen. In einigen Fällen gelingt dies ohne größere Schwierigkeiten. So können beispielsweise Wohn- oder Gewerbeimmobilien im Rahmen der Bauleitplanung zur Nutzung der Dachflächen mit PV-Anlagen verpflichtet werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 b BauGB). Ebenso können Flächen unterhalb von Windkraftanlagen weiterhin uneingeschränkt landwirtschaftlich genutzt werden, wenn im Bebauungsplan Flächen für die Landwirtschaft festgesetzt sind und innerhalb bestimmter Baugrenzen die Zusatznutzung für Windenergieanlagen vorgesehen ist (vgl. Ziff. 7 der Anlage zur Planzeichenverordnung).
Ein spezieller Fall der Doppelnutzung im Rahmen eines Bauleitplanverfahrens wurde kürzlich vom OVG Lüneburg entschieden (Beschluss vom 30. April 2024, Az. 1 MN 161/23). Dabei ging es um die Nutzung einer Fläche als aufgeständerte Freiflächen-PV-Anlage bei gleichzeitiger Nutzung als naturschutzfachlich bedeutsame Biotopfläche. Unter den PV-Modulen sollte der Biotoptyp „Sonstiges feuchtes Extensivgrünland“ entwickelt werden. Es handelte sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, bei dem die konkrete Ausführung durch einen Vorhaben- und Erschließungsplan (VEP) geregelt wird.
Das OVG Lüneburg bewertete den VEP als zu unbestimmt und stellte klar, dass dieser das Vorhaben nur dann hinreichend bestimmt festlegt, wenn nicht nur die Maximalhöhe der Module konkretisiert wird, sondern auch eine Mindesthöhe, die für die Entwicklung des darunterliegenden Biotoptyps erforderlich ist. Dies war im zu entscheidenden Fall nicht gewährleistet, weshalb das OVG Lüneburg dem Eilantrag der klagenden Umweltvereinigung stattgab und den Vollzug des Bebauungsplans aussetzte. Das Gericht führte dazu wie folgt aus (ZUR 2024, 562 f.):
„Der Vorhaben- und Erschließungsplan (VEP) ist nicht hinreichend bestimmt. Im VEP, der Gegenstand des Durchführungsvertrags ist, wird nicht allgemein irgendeine Bebauung des Plangebiets, sondern die Errichtung eines oder mehrerer konkreter Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB geregelt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Zu konkretisieren ist nicht nur die Art der baulichen Nutzung, wobei das festgelegte Vorhaben von vornherein eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfasst, sondern, ebenfalls mit (begrenzten) Spielräumen, auch das Maß der baulichen Nutzung. Dabei genügt es jedenfalls nicht stets, nur Höchstmaße festzusetzen. Auch eine Unterschreitung von festgesetzten Maßfaktoren ist in den Blick zu nehmen. Ist sie in einem Umfang möglich, der die Identität des vereinbarten Vorhabens in Frage stellt und die durch den Vorhabenbegriff begrenzte Variationsbreite verlässt, bedarf es daher zusätzlich der Festsetzung von Mindestmaßen, denn es gilt zu vermeiden, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan ein anderes Vorhaben zulässt, als es im Durchführungsvertrag in Verbindung mit dem VEP vereinbart worden ist (BVerwG, Beschl. v. 5.3.2019 – 4 BN 18.18 –, ZfBR 2019, 480 = BRS 87, Nr. 11 = juris Rn. 9 m. w. N.).
Diesen Vorgaben genügt der VEP nicht, da er so unbestimmt ist, dass auch ein vom Durchführungsvertrag abweichendes Vorhaben entstehen kann. (…) In ihm werden eindeutig lediglich die maximale Höhe der Modultische („4 m über gewachsenem Grund“), deren Unterkonstruktion („Ramm- oder Schraubfundamente“), die Südausrichtung der Module und das Verbot von Nachführanlagen oder sog. Ost-West-Anlagen festgeschrieben. Hinsichtlich sämtlicher weiterer Parameter, wie der Ausführung der Modultische, die in einer Skizze dargestellt wird, des Abstands der Modulreihen und der Anordnung der Modultische, eröffnet der VEP durch die Verwendung von Zusätzen wie „beispielhaft“, „indikativ“, „oder vergleichbar“ sowie „ca.“ Spielräume. Diese sollen offenbar – wie etwa die Differenz zwischen der in der Skizze abgebildeten Höhe von 2,736 m und der textlich angegebenen Maximalhöhe von 4 m zeigt – zumindest teilweise den Bagatellbereich deutlich überschreiten. Bei einem Projekt wie dem vorliegenden sind „weiche“ Vorgaben in einem gewissen Umfang unvermeidlich, da auf diese Weise der Vorhabenträger nicht von entstehen vornherein auf ein bestimmtes Modulmodell eines bestimmten Herstellers festgelegt wird, was etwaigen Änderungen des Angebots im Laufe der Planungsphase sowie etwaigen technischen Weiterentwicklungen Rechnung trägt. Die daraus folgenden Spielräume sind unschädlich, solange die maßgeblichen städtebaulichen Parameter des Vorhabens unberührt bleiben. Die Grenze des Zulässigen ist allerdings dann überschritten, wenn der VEP ermöglicht, dass ein aliud zu dem in Aussicht genommenen Vorhaben entstehen kann.
So liegt es hier. Unter den Modultischen soll der Biotoptyp „Sonstiges feuchtes Extensivgrünland“ entstehen. Dies stellt bestimmte Anforderungen an Belichtung, Befeuchtung sowie die Pflege der Fläche. Hierzu macht die Arbeitshilfe „Hinweise für einen naturverträglichen Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen“ (Herausgeber NLT, MU und NLWKN, Stand 11.10.2023) auf der Grundlage bereits zuvor, mithin auch bei Planaufstellung vorhandener Erkenntnisse bestimmte Vorgaben. Danach ist dieser Biotoptyp mit Blick auf die erforderliche Belichtung und Befeuchtung „erreichbar“, wenn der Mindestabstand der Modulunterkante zum Boden 0,8 m, die maximal überspannte Tiefe der Modultische nicht mehr als 5 m und der Abstand zwischen den Modultischen (mindestens) 3,5 m, besser 5 m, betragen (Arbeitshilfe S. 17). Die Arbeitshilfe stellt zwar keine verbindliche Regelung dar, die von Antragsgegnerin zwingend zentimetergenau zu befolgen wäre. Es handelt sich jedoch um zusammengeführten naturwissenschaftlichen Sachverstand, der den aktuellen Stand der Erkenntnis widerspiegelt. Lässt die Antragsgegnerin jedoch relevante Abweichungen von den Vorgaben der Arbeitshilfe zu, muss sie sich unter Zuhilfenahme naturwissenschaftlichen Sachverstands vergewissern, dass ihr Planungsziel, ein „grüner Solarpark“, dennoch erreicht wird; andernfalls droht das Entstehen eines „aliud“ im obigen Sinne.“
Zusammenfassend folgt das OVG Lüneburg streng den fachlichen Voraussetzungen für das Biotop. Daraus ergeben sich Mindestanforderungen für die Position der Module, wobei dem Vorhabenträger ein gewisser Spielraum bleibt, ein geeignetes Modul am Markt auszuwählen.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine doppelte Flächennutzung im Bereich Naturschutz und Energieerzeugung grundsätzlich möglich ist. Auch Ausgleichsflächen für Freiflächen-PV-Anlagen können infrage kommen (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB, vgl. OVG Saarbrücken, Urteil vom 20. Oktober 2011 – 2 C 510/09, juris Rn. 76), sofern keine naturschutzfachlichen Gründe entgegenstehen. Kommunen sollten in Abstimmung mit Naturschutzbehörden und ggf. einem Planungsbüro die Anforderungen des jeweiligen Biotoptyps ermitteln und im VEP verbindlich geeignete Kriterien festlegen, die eine Vereinbarkeit der Nutzung als Freiflächen-PV-Anlage und Naturschutzfläche sicherstellen.
Würzburg, den 1.11.2024
Dr. Eric Weiser-Saulin/Rechtsanwalt