Der vorliegende Beitrag erörtert die Frage, ob Gutachten zu den Klimaauswirkungen eines Vorhabens

in Planfeststellungsverfahren stets ausgelegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen.

Da seit dem UVPG 2017 die Ermittlung der Auswirkungen auf das Globalklima zu den Pflichtangaben gem. Anlage 4 UVPG zählt, müssen entsprechende Gutachten und Fachbeiträge gemäß §§ 18, 19 Abs. 2 UVPG verpflichtend ausgelegt werden. Somit stellt sich die aufgeworfene Frage insbesondere für die zahlreichen „Alt-Verfahren“, für welche das UVPG 2017 aufgrund der Übergangsregelung des § 74 UVPG nicht einschlägig ist. Auch für diese Verfahren – oder alle anderen nicht UVP-pflichtigen Verfahren – verpflichtet § 13 Abs. 1 S. 1 KSG materiell-rechtlich zur Ermittlung und Berücksichtigung der Klimaauswirkungen. Hier stellt sich die verfahrensrechtliche Frage, inwiefern die allgemeinen Vorschriften des Planfeststellungsverfahrens ebenfalls zu einer Auslegung von Klima-Fachbeiträgen oder -Gutachten verpflichten. Dies soll nachfolgend mit Blick auf planfeststellungspflichtige Fernstraßenvorhaben erläutert werden, bei denen die vorhabenbedingten Treibhausgasemissionen regelmäßig ein bedeutender Belang sind.

Nach den allgemeinen Regeln des VwVfG zum Planfeststellungsverfahren ist gemäß § 73 Abs. 2, Abs. 3 VwVfG „der Plan“ auszulegen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass neben dem Plan alle Unterlagen ausgelegt werden, die nach den örtlichen Verhältnissen erforderlich sind, um eine sog. Anstoßwirkung zu gewährleisten. Denn die Betroffenen sollen durch die Auslegung der Planunterlagen erkennen können, welche Rechtsgüter als gefährdet angesehen und welche Beeinträchtigungen befürchtet werden. Für diese Anstoßwirkung müssen alle Unterlagen ausgelegt werden, die – aus der Sicht der potenziell Betroffenen – notwendig sind, um den Betroffenen ihr Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen. Ob dazu auch Gutachten zu den Klimaauswirkungen gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles.

Naturgemäß geht die Einschätzung über den Stellenwert der vorhabenbedingten Klimaauswirkungen – und damit auch der Klima-Unterlagen – zwischen Betroffenen und Umweltverbänden auf der einen und Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde auf der anderen Seite oft weit auseinander. Verbreitet wurde in Fachkreisen mit Verweis auf das Urteil des BVerwG vom 04.05.2022 (9 A 7.21) zur A14 angenommen, dass eine Auslegung außerhalb des Anwendungsbereichs des UVPG 2017 grundsätzlich entbehrlich sei. Dies ist nicht haltbar. Denn die Entscheidung des 9. Senats stellt nicht nur eine frühe und erkennbar vorläufige Ausformung des Gebots zur Berücksichtigung der Klimaauswirkungen nach § 13 Abs. 1 S. 1 KSG dar, die lediglich ein Vorhaben als „Lückenschluss im Lückenschluss“ (Rn. 93 des Urteils) betraf. Auch verfahrensrechtlich lag ihr für die hier interessierende Frage die Ausnahmekonstellation zugrunde, dass keine eigenständige Klimauntersuchung oder -gutachten vorlag, die hätte ausgelegt werden können. Vielmehr hat der Beklagte erst im Laufe des Klageverfahrens lediglich die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses um den Punkt Klimaauswirkungen ergänzt. Vor diesem Hintergrund verstehen sich auch die Ausführungen des Senats, dass keine neue Unterlage vorgelegt wurde, dementsprechend auch keine Pflicht zu einer erneuten Offenlage bestehe und eine auf Begründungselemente beschränkte Änderung des Planfeststellungsbeschlusses nur im Verhältnis zum Kläger möglich sei (BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2022 – 9 A 7/21 –, Rn. 74). Insofern ist die Entscheidung nur sehr begrenzt auf weitere Konstellationen übertragbar.

Liegt eine eigenständige Klima-Untersuchung vor, wie es bei Straßenbauvorhaben regelmäßig durch den Ermittlungs- und Bewertungsmaßstab von § 13 Abs. 1 S. 1 KSG geboten ist, muss diese in der Regel auch ausgelegt werden. Insbesondere für planfeststellungspflichtige Straßenbauvorhaben nach dem FStrG liegt es auf der Hand, dass die Treibhausgasemissionen genauso wie Lärm- oder Schadstoffemissionen zu einer zentralen Umweltauswirkung des Vorhabens gehören. Gerade für Umweltverbände sind Unterlagen zu Klimaauswirkungen entscheidend, um den Grad ihrer Betroffenheit und damit ihr Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen. Allein auf diese Sicht der potentiell betroffenen kommt es für die Anstoßwirkung und damit die Notwendigkeit zur Auslegung an. Insofern ist es unerheblich, wie hoch die angenommenen THG-Emissionen und Klimaauswirkungen in den fachlichen Unterlagen des Vorhabenträgers tatsächlich ausfallen. Selbst ein positiver Beitrag des Vorhabens im Sinne verringerter Emissionen stellt aus Sicht der potentiell Betroffenen einen gewichtigen Belang für ihr Interesse an der Erhebung von Einwendungen dar.

Entsprechend kann bilanziert werden, dass Gutachten zu den Klimaauswirkungen des Vorhabens in aller Regel gemäß § 73 Abs. 2, Abs. 3 VwVfG in straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren ausgelegt werden müssen. Es ist zu erwarten, dass der 9. Senat des BVerwG bei nächster Gelegenheit seine Rechtsprechung hierzu klarstellen wird.

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Leipzig, den 15.07.2024

Dr. Martin Wiesmann