In dem Urteil vom 22.06.2022 hat sich der EuGH zu den aus der FFH-Richtlinie ergebenden Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Waldbewirtschaftung befasst.

Der EuGH hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass sowohl Waldbewirtschaftungspläne, als auch durch besondere Umstände bedingte Holzernten, welche die im Waldbewirtschaftungsprogramm vorgeschriebene Gesamtholzmenge überschreiten, als Pläne oder Projekte im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie anzusehen sind. Dementsprechend sind neben den Waldbewirtschaftungsprogrammen auch Bewirtschaftungsmaßnahmen einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen, welche über die in den Waldbewirtschaftungsprogramm enthaltenen Maßnahmen hinausgehen. Selbst Notfallmaßnahmen zur Verhütung der Gefährdung der Wälder oder zur Beseitigung von Schäden oder Schadfaktoren sind grundsätzlich einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen.

In diesem Zusammenhang hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 22.06.2022 außerdem festgestellt, dass eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie auch darin zu sehen ist, dass innerhalb der Schutzgebiete keine geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um die in den Schutzgebieten ausgewiesenen Habitate zu bewahren. Zur Erfüllung dieser Anforderungen genüge es nicht, wenn zwar Pläne zur Erhaltung der Habitate erstellt wurden, diese aber nicht durch konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Zudem genüge es auch nicht, wenn lediglich einzelfallbezogenen Maßnahmen ergriffen werden. Vielmehr sei ein strukturelles System zur Erhaltung der geschützten Lebensräume bzw. Arten einzuführen.

Aus der Entscheidung ergeben sich Konsequenzen für die deutsche Forstwirtschaft hinsichtlich der Waldbewirtschaftung innerhalb der Gebietsgrenzen eines Natura 2000 Gebietes. Es ist insbesondere sicherzustellen, dass die Waldbewirtschaftungsmaßnahmen mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebietes bzw. Vogelschutzgebietes vereinbar sind, was in der Regel durch eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erfolgen muss.

Eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Urteil des EuGH vom 22.06.2022 findet sich in der Urteilsanmerkung von RAin Anja Schilling in der NuR 2022, S. 547 – 548.