Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit der Widmung von Straßen auseinander. Insbesondere in Bezug darauf, ob und wie lange eine Bindungswirkung der Eigentümer von Privatstraßen an einen Widmungsantrag ihrerseits, die Privatstraße in eine öffentliche Straße abzuändern, besteht.

Widmung ist die Verfügung, durch die eine Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhält, Art. 6 Abs. 1 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG). Die Straße ist damit also nicht nur reiner Privatweg, sondern in der Regel öffentlich zugänglich. Die Widmung einer Straße ist zudem Voraussetzung beispielsweise für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen; von der Widmung hängt auch die Frage ab, wer Straßenbaulastträger der jeweiligen Straße ist.

Man mag zwar meinen, dass sich Widmungsfragen zuvorderst bei neuen Straßen stellen. Allerdings können derartige Fragestellungen auch bei bereits seit langem vorhandenen (Privat-)Straßen auftreten, die nun als öffentliche Straßen gewidmet werden sollen. Bei solchen bislang in Privateigentum stehenden Straßen ist Voraussetzung deren Widmung, dass der Eigentümer oder ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt hat oder dass der Träger der Straßenbaulast den Besitz des der Straße dienenden Grundstücks durch Vertrag, durch Einweisung oder in einem sonstigen gesetzlich geregelten Verfahren erlangt hat, Art. 6 Abs. 3 BayStrWG. Möchte man als Eigentümer, dass seine Privatstraße öffentlich gewidmet wird, kann man einen Antrag auf Widmung dieser Straße stellen. Bei mehreren Eigentümern ist ein solcher Antrag von allen Eigentümern zu stellen.

Aus aktuellem Anlass soll vorliegend auf die Situation eingegangen werden, in der die Gemeinde einen alten, bislang nicht bearbeiteten Widmungsantrag wieder hervorholt und diesen nun umsetzen will, der jetzige Eigentümer aber mittlerweile gar keine Widmung mehr möchte.

Wie verhält es sich, wenn der Eigentümer noch vor Durchführung der Widmung diese doch nicht mehr wünscht, beispielsweise, da sich die jeweiligen Verhältnisse seitdem – in Einzelfällen durchaus mehrere Jahrzehnte zurückliegenden – Widmungsantrag geändert haben? Kann sich dieser Eigentümer darauf berufen, dass er sich am bereits Jahrzehnte alten Widmungsantrag nicht mehr festhalten lassen muss? Verfällt dieser Antrag vielleicht sogar nach einem gewissen Zeitablauf oder wird er gegenstandslos? Müssen – sofern es sich um mehrere Eigentümer handelt – alle Eigentümer einer Privatstraße und damalige Antragsteller nicht mehr an ihrem Widmungsantrag festhalten wollen? Kann der Antrag zurückgenommen werden und – falls ja – von wem?

Diese Fragen sind insbesondere dann relevant, wenn der Widmungsantrag so veraltet ist, dass dieser heutzutage so gar nicht mehr gestellt würde und eine Widmung nach dem jetzigen Willen des oder der Eigentümer auch gar nicht mehr erfolgen soll. Auch wenn es erstaunt, gibt es immer wieder und auch ganz aktuell Fälle, in denen die Gemeinde nach mehreren Jahrzehnten auf den damals zwar gestellten, aber bis heute aus welchen Gründen auch immer nicht bearbeiteten Widmungsantrag zurückkommt und diese damals beantragte Widmung nun vornehmen will.

Zur Lösung der dargestellten Problematik ist insbesondere der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) München (B. v. 20.07.2010 – 8 ZB 10.1109) relevant – dieser ist nun zwar schon mehrere Jahre alt, aber immer noch aktuell. Laut dieser Gerichtsentscheidung, in der es „nur“ um einen Zeitraum von 15 Jahren seit Antragstellung ging, besteht grundsätzlich auch nach einem solchen Zeitablauf (ob es eine „zeitliche Grenze“ der Bindungswirkung gibt, hat der VGH nicht ausgeführt) eine Bindung an den Antrag, es sei denn, der Wille der Antragsteller hätte zum Zeitpunkt der Antragstellung so ausgelegt werden können, dass nur eine alsbaldige Widmung beantragt worden ist. Der Widmungsantrag wird also nicht durch Zeitablauf gegenstandslos. Auch ein Übergang auf etwaige Rechtsnachfolger führt laut VGH München zu keiner anderen Rechtsfolge.

Zudem wurde in diesem Beschluss, auf den sich auch die Kommentarliteratur stützt, ausgeführt, dass der Widmungsantrag eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt, die grundsätzlich ab Eingang bei der Behörde nicht mehr zurückgenommen werden kann. Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, dass eine Rücknahme bis zur Widmung selbst erfolgen kann, allerdings stellt dies nicht die herrschende Meinung dar. Vom VGH München ist diese Frage bislang nicht entschieden worden. Allerdings hat er in dem vorgenannten Beschluss ausgeführt, dass er wohl zur herrschenden Meinung tendiert, dies aber letzten Endes offengelassen. Er hat vielmehr gegen die Möglichkeit der Rücknahme des Widmungsantrags entschieden, weil in dem von ihm entschiedenen Fall mehrere Miteigentümer am betroffenen Straßenabschnitt vorhanden waren und die Rücknahme nur ein Miteigentümer erklärt hat.

Es gab vorliegend also mehrere Miteigentümer eines Straßenabschnittes, weshalb bereits aus diesem Grund die Möglichkeit einer einseitigen Rücknahme des Antrags vom Gericht verneint wurde. Die Frage, ob ein Widmungsantrag nach Zugang bei der Behörde überhaupt noch zurückgenommen werden kann, wurde vom VGH München leider nicht geklärt, da es hierauf nicht mehr ankam.

Diese Klärung wäre aber auch für die bislang ebenfalls noch nicht entschiedene Konstellation relevant, in der zwar mehrere Antragsteller vorhanden sind, diese aber nicht Miteigentümer des zur Widmung beantragten Grundstücks sind, sondern jeder für sich Alleineigentümer eines ursprünglich als Bestandteil der Straße vorgesehenen Grundstücks.

Es bleibt also spannend, wie die Gerichte in solchen bislang nicht entschiedenen Fallkonstellationen entscheiden werden. Zur Argumentation könnte beispielsweise eine analoge Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über Vertragsangebote und deren Verfristung bei fehlender bzw. verspäteter Annahme angedacht werden. Ob dies von den Verwaltungsgerichten als einschlägig angesehen wird, bleibt abzuwarten und ist zumindest bis auf Weiteres – unter Bezugnahme auf die vom VGH München angesprochene Tendenz – eher kritisch zu sehen.

 

Würzburg, 17.05.2022

gez. RAin Simone Lesch

Fachanwältin für Verwaltungsrecht