Die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB hat für die Schöfferstadt Gernsheim am 08.03.2022 beim Regierungspräsidium Darmstadt umfangreiche Einwendungen gegen ein Vorhaben der solvadis distribution GmbH eingereicht. Die Vorhabenträgerin beabsichtigt die Errichtung und den Betrieb eines neuen Tankfeldes Nr. 8 für die Lagerung und den Umschlag von brennbaren Flüssigkeiten mit einer Lagerkapazität von bis zu 12.500 m³. Das Vorhaben ist aufgrund der Lagerung gefährlicher Stoffe als Störfallbetrieb eingeordnet und soll nur 50m von der benachbarten Wohnbebauung an der Mainzer Straße errichtet werden. Die Schöfferstadt Gernsheim und die Bürgerinnen und Bürger der Stadt wehren sich seit Jahren gegen dieses, aus ihrer Sicht verantwortungslose Vorhaben.

Zweifel an der Sicherheit einer solchen Anlage und der Zuverlässigkeit der Vorhabenträgerin gehen zurück auf verschiedene Zwischenfälle in der jüngeren Vergangenheit. Während Anwohnerinnen und Anwohner seit Jahren immer wieder über Geruchsbelästigungen klagen, kam es am 07.01.2019 zu einem Unfall mit einem Tanklaster der Vorhabenträgerin, bei dem das Lösungsmittel m-Xylol freigesetzt wurde. Am 29.07.2021 trat dann aus einem Tank der Vorhabenträgerin im Hafengelände – von dieser unbemerkt – ebenfalls das Lösungsmittel Xylol aus. In beiden Fällen musste die Feuerwehr einschreiten, Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten.

Der im Auslegungsverfahren befindliche Antrag der Vorhabenträgerin befand sich bereits zum 3. Mal im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung. Allein dieser Umstand zeigt, dass es der Vorhabenträgerin seit ihrem Erstantrag im Dezember 2015 in über 6 Jahren nicht gelungen ist, vollständige und prüffähige Unterlagen beim Regierungspräsidium Darmstadt einzureichen.

In den Einwendungen konnte die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte aufzeigen, dass nach wie vor gravierende Mängel und Lücken in den Antragsunterlagen enthalten sind:

  • Diese betreffen insbesondere den Sicherheitsbericht, der zahlreiche fachliche Mängel enthält und die gesetzlichen Mindestanforderungen nach 9 Abs. 1, 2 S. 1 i.V.m. Anlage II der 12. BImSchV nicht erfüllt.
  • Hinsichtlich des durch das Vorhaben verursachten Lärms kann nicht ausgeschlossen werden, dass die benachbarte Wohnbevölkerung unzumutbar belästigt wird. Die von der Vorhabenträgerin vorgelegte Schalltechnische Untersuchung ist fachlich fehlerhaft und lässt zahlreiche zentrale Aspekte unberücksichtigt.

Für die Bereiche der Luft- und Lärmimmissionen, sowie die Überprüfung des Sicherheitsberichts und des angemessenen Sicherheitsabstandes hat die Stadt zwei Gutachten bei renommierten Fachgutachtern in Auftrag gegeben, welche die fachlichen Mängel der Auslegungsunterlagen bestätigt haben.

  • Der Umweltbericht (UVP-Bericht) widerspricht an vielen Stellen bereits den übrigen Auslegungsunterlagen oder den tatsächlichen Verhältnissen. So geht der UVP-Bericht davon aus, die „städtische Berufsfeuerwehr“ könne in einer Zeitspanne von „ca. 5min“ am Gernsheimer Hafen sein. Die Stadt Gernsheim verfügt allerdings nur über eine freiwillige Feuerwehr, welche üblicherweise eine Anfahrtszeit von bis zu 10 min benötigt.

Darüber hinaus nimmt der UVP-Bericht der Vorhabenträgerin vielfach Bezug auf veraltete Unterlagen, ist ohne Kenntnis der Antragsunterlagen aus sich heraus nicht verständlich und prüft insbesondere die Auswirkungen von Unfällen – wie nach § 2 Abs. 2 S. 2 UVPG zwingend gefordert – auf die Schutzgüter Menschen, Tiere, Pflanzen, biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima etc. nicht.

  • Da in den Tanks mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird, müsste auch eine Eignungsfeststellung der Tanks gemäß § 63 WHG vorliegen. Eine solche war jedoch nicht Gegenstand der Auslegungsunterlagen. Die Angaben in den Unterlagen waren zudem nicht geeignet, um eine solche Eignungsfeststellung zu ermöglichen.
  • Ein Ausgangszustandsbericht zum Zustand des Bodens wurde von der Vorhabenträgerin bislang nicht erstellt. Die Schöfferstadt Gernsheim hält einen solchen Bericht jedoch vor der Durchführung etwaiger Baumaßnahmen zwingend geboten. Denn der Bereich des Tankfeldes 8 wurde in der Vergangenheit als Mineralöllager genutzt und ist bereits erheblich vorbelastet. Es steht daher zu befürchten, dass im Zuge der Baumaßnahmen für das Tanklager giftige Stoffe freigesetzt werden, benachbarte Böden verunreinigt werden oder Einträge giftiger Stoffe in den Rhein erfolgen.

Rechtsanwalt Dr. Eric Weiser-Saulin von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte bewertet diese Ergebnisse wie folgt:

„Die Prüfung der Antragsunterlagen hat aufgezeigt, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig ist. Neben den erheblichen Mängeln der Antragsunterlagen kommt ein im Auftrag des RP Darmstadt erstelltes Gutachten des TÜV Nord vom April 2020 zu dem Ergebnis, dass ein Abstand zwischen dem Tanklager und benachbarten Schutzobjekten (z.B. der Wohnbebauung) von 110m „angemessen“ wäre. Vorliegend bestehen aber nur 50m zwischen dem Tanklager und der Wohnbebauung. Es ist daher nicht ersichtlich, dass das Tanklager mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen der angrenzenden Wohnbebauung und der vom Tanklager ausgehenden Gefahrenlage an diesem Standort errichtet werden kann.“

Darüber hinaus kritisiert die Schöfferstadt Gernsheim auch die Verfahrensführung des Regierungspräsidiums Darmstadt. Es sei unverständlich, weshalb die Einsicht in die zentralen Unterlagen nur im Regierungspräsidium Darmstadt und im Hinterzimmer eines Gernsheimer Restaurants unter Einschränkung von Corona-Hygienemaßnahmen möglich war. Eine vollständige digitale Auslegung der Unterlagen hatte das RP Darmstadt abgelehnt. Hierzu Peter Burger, Bürgermeister der Schöfferstadt Gernsheim:

„Für uns als Stadt ist es nicht nachvollziehbar, dass man als Genehmigungsbehörde in Anbetracht geltender Corona-Hygienemaßnahmen und der damit verbundenen Einschränkungen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt zwingt, die Antragsunterlagen vor Ort einzusehen. Eine Online-Auslegung wäre zwingend geboten gewesen. Der Öffentlichkeit wurde die Beteiligung damit unzumutbar erschwert.“

Die Schöfferstadt Gernsheim hat das Regierungspräsidium mit ihren Einwendungen nunmehr aufgefordert, das Verfahren nochmals ordnungsgemäß nachzuholen und angeregt, den für Juni angesetzten Erörterungstermin abzusagen und von der Vorhabenträgerin zuvor die Nachbesserung der Antragsunterlagen einzufordern. Es ist nun Aufgabe des Regierungspräsidiums die erhobenen Einwendungen zu prüfen und entsprechend zu reagieren.

 

Gez. Dr. Eric Weiser-Saulin/Rechtsanwalt