Im von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB vertretenen Klageverfahren des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) gegen die Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes „Inntal Süd“ hat der 4. Senat des BVerwG mit Beschluss vom (Aktenzeichen 4 CN 4.18) das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der europäischen Richtlinie über die strategische Umweltprüfung (Richtlinie 2001/42/EG – sog. SUP-Richtlinie) vorgelegt.

Konkret geht es darum, ob der BN gegen die Verkleinerung des seit den Jahren 1952/1977 unter Schutz gestellten Landschaftsschutzgebietes „Inntal Süd“ gerichtlich vorgehen kann. Die angegriffene Änderungsverordnung reduziert das unter Schutz gestellte Gebiet um ca. 650 ha und schwächt bisher bestehende Bauverbote ab. Der BN beanstandet u.a., dass für diese Verschlechterungen des Schutzregimes weder eine strategische Umweltprüfung noch eine entsprechende Vorprüfung durchgeführt wurden. Der VGH München hatte die Klage in erster Instanz als unzulässig abgewiesen hat, aber die Revision gegen sein Urteil zum BVerwG zugelassen.

Das BVerwG hat nun in seinem Beschluss vom 04.05.2020, der erst am heutigen Tage den Beteiligten bekannt gegeben wurde, klargestellt, dass auch eine Verordnung über die Änderung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung als „Plan“ im Sinne der SUP-Richtlinie einzustufen ist. Unklar ist nach Ansicht des Gerichts aber, ob dieser Plan in einem der Bereiche ausgearbeitet wurde, in denen nach den Vorgaben der Richtlinie eine Pflicht zur strategischen Umweltprüfung festgelegt wurde. Auch möchte das BVerwG mit der Vorlage an den EuGH klären, ob eine für die Umweltprüfungspflicht erforderliche Rahmensetzung der Verordnung für spätere Einzelvorhaben nur dann vorliegt, wenn der in Rede stehende Rechtsakt eine planerische Dimension aufweist, was bei Schutzgebietsverordnungen im Bereich des Naturschutzes nicht der Fall sei.

Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß (Fachanwältin für Verwaltungsrecht) begrüßt den Vorlagebeschluss:

„Wir sind mit der Entscheidung des BVerwG, zu den strittigen Fragen des europäischen Naturschutzrechts den EuGH einzuschalten, sehr zufrieden und hatten auf eine solche Vorlage hingearbeitet. Denn speziell in Bezug auf die strategische Umweltprüfung sind viele Fragen noch ungeklärt, was in der Praxis zu einer erheblichen Verunsicherung sowohl auf Seiten der Umweltschützer, aber auch der Umweltnutzer führt. Es ist deshalb zu begrüßen, dass das BVerwG sich entschieden hat, für mehr Klarheit zu sorgen, indem es den EuGH einschaltet. Für den BN haben sich mit dem Beschluss die Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und er ist seinem Ziel, nämlich den Schutz des Inntals in der bisherigen Dimension und Intensität zu bewahren, ein gutes Stück nähergekommen. Sollte der EuGH im Sinne des BN entscheiden und eine Pflicht zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung feststellen, wäre die vom Landkreis Rosenheim verordnete Verkleinerung des Gebietes unwirksam.“

Rechtsanwalt Andreas Lukas (Lehrbeauftragter an der Hochschule Geisenheim) betont die Reichweite der Verfahrensergebnisse:

„Eine Umweltprüfungspflicht und gerichtliche Überprüfbarkeit von Verkleinerungen stärkt die Grundkategorie des Landschaftsschutzgebiets. Es ist die in den letzten zwanzig Jahren recht stiefmütterlich behandelte Basis des Schutzgebietsnetzes.
Zudem wird es spannend sein, in den kommenden Jahren die fachliche Diskussion zu beobachten, welche weiteren Instrumente neben Schutzgebietserklärungen zukünftig ebenfalls unter den Plan-Begriff der SUP-Richtlinie subsumiert werden, wenn der EuGH unseren Argumenten folgt und eine SUP-Pflicht annehmen sollte.“

 

Leipzig, den 16.06.2020
gez.: RAin Dr. Franziska Heß/
Fachanwältin für Verwaltungsrecht