Mit Beschluss vom 4. Juni 2019 hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz dem beklagten Land mitgeteilt, dass gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 6. November 2017 zum Aus- und Neubau des Rheinhauptdeiches in Otterstadt erhebliche rechtliche Bedenken bestehen. Somit ist die Deichplanung der SGD Süd zunächst auf Eis gelegt. Die Ortsgemeinde, die in dem Klageverfahren von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB (Würzburg/Leipzig/Hannover) vertreten wird, hat damit einen Etappensieg errungen.
Diese Maßnahme steht im Zusammenhang mit der Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes des Landes Rheinland-Pfalz für den Rhein. Nach den Plänen der SGD Süd soll der derzeit rd. 1,85 km lange Abschnitt des Rheinhauptdeichs zwischen dem Kreuzungsbereich der beiden Kreisstraßen K31 und K23 im Süden und der Ortslage Otterstadt im Norden saniert und erhöht werden. Die Planung sieht dabei insbesondere den Neubau eines 655 m langen Deiches in dem jetzigen Deichhinterland in Richtung der Wohnbebauung von Otterstadt vor. Im Falle der Überflutung des Bestandsdeiches würde sich das Wasser somit zwischen dem bestehenden Deich und dem neuen Deich einstauen.
Die Ortsgemeinde hatte bereits während des Genehmigungsverfahrens darauf hingewiesen, dass sich durch die planfestgestellte Variante die Druckwassersituation für die Siedlungsbereiche entscheidend verändert und eine gutachterliche Überprüfung verlangt. Die SGD Süd hat allerdings diesbezüglich im streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss keinerlei Betrachtungen angestellt, was nunmehr von Seiten des Gerichts gerügt wurde. Der Senat hat in seinem Beschluss betont, dass die Genehmigungsbehörde aufgrund fehlender Untersuchungen gar nicht beurteilen konnte, inwiefern sich die bestehende Druckwassersituation nach Errichtung des neuen Deiches im Überflutungsfalle noch verschärft. Darin sieht der Senat einen erheblichen Ermittlungs- und Abwägungsfehler, auf den sich die klagende Gemeinde auch berufen kann, da deren kommunale Planungshoheit betroffen ist.
Zudem hat das Gericht dargelegt, dass sich aufdrängende Planungsvarianten von Seiten der SGD Süd nur unzureichend geprüft worden seien. Insbesondere hat das Gericht darauf hingewiesen, dass sich die Genehmigungsbehörde auch mit der Ertüchtigung des bestehenden Deiches als Alternative hätte auseinandersetzen müssen. Nach der im Planungsverfahren vorgelegten Machbarkeitsstudie kommt auch eine Erhöhung des bestehenden Deiches in Betracht, wenn Rasensoden vom bestehenden Deich abgetragen und auf den erhöhten Deich wieder verpflanzt werden. Die Genehmigungsbehörde hätte nach Auffassung des Gerichts hier nähere Ermittlungen zur konkreten Vorgehensweise und Durchführbarkeit dieser naheliegenden Umsetzungsmöglichkeit machen müssen.
Rechtsanwalt Thomas Jäger von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte, der die Ortsgemeinde im Klageverfahren betreut, zeigt sich mit diesem Zwischenerfolg sehr zufrieden:
„Das Gericht hat schon zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt des Verfahrens seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns geäußert. Dabei hat der Senat vor allem unsere Bedenken im Hinblick auf eine Verschärfung der Druckwassersituation für die Siedlungsbereiche der Ortsgemeinde Otterstadt infolge der Umsetzung des Vorhabens vollumfänglich bestätigt.
Erfreulich ist, dass von Seiten des Gerichts auch die nahe liegende Ertüchtigung des Bestandsdeiches ins Spiel gebracht wurde. Diese Lösung hätte den entscheidenden Vorteil, dass eine Erhöhung der Druckwassergefahr ausgeschlossen werden könnte.
Das Land ist nunmehr gefordert, die bisherige Planung grundlegend zu überarbeiten, sonst riskiert es die förmliche Aufhebung der Planfeststellung. Die Behörden sind dabei gut beraten, möglichst zeitnah das Gespräch mit der Ortsgemeinde sowie den betroffenen Landwirten zu suchen.“
Würzburg, den 07.06.2019
gez. RA Thomas Jäger